vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungsbefugnis gemäß § 174 Abs. 4 AO: Versagung der Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG nach Aufhebung der Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Werden auf den Rechtsbehelf des Stpfl. die seine – richtigerweise als freiberuflich zu beurteilende - Tätigkeit als Insolvenzverwalter betreffenden Gewerbesteuermessbetragsfestsetzungen aufgehoben, kann die Finanzbehörde nach § 174 Abs. 4 AO durch Änderung der Einkommensteuerbescheide zu Lasten des Stpfl. die richtigen steuerlichen Folgerungen aus dem im Verfahren über die Gewerbesteuermessbetragsbescheide irrig beurteilten Sachverhalt ziehen, indem sie die Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG versagt.
  2. § 174 Abs. 4 AO enthält keine Einschränkungen dahingehend, dass die rechtsirrige Beurteilung des Sachverhaltes allein bei der Ermittlung der jeweiligen steuerlichen Bemessungsgrundlage, nicht jedoch bei der Ermittlung des Steuertarifs änderungsrelevant wäre.
  3. Der Anwendungsbereich von § 174 Abs. 4 AO ist auch nicht durch den Umstand eingeschränkt, dass der Gewerbesteuermessbetragsbescheid kein Grundlagenbescheid für die Ermittlung der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG ist.
 

Normenkette

AO § 174 Abs. 4, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG §§ 15, 18 Abs. 1 Nr. 3, §§ 32c, 35 Abs. 3 S. 2; GewStG § 7

 

Streitjahr(e)

1998, 1999, 2000

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 04.02.2016; Aktenzeichen III R 12/14)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte die Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2000 gemäß § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) unter Versagung der Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. der Streitjahre ändern durfte, nachdem der Kläger zuvor die Aufhebung der Gewerbesteuermessbetragsbescheide für diese Jahre gerichtlich durchgesetzt hatte.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und vorwiegend auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung tätig. Er wurde im Jahr 1998 zusammen mit seiner damaligen Ehefrau und in den Jahren 1999 und 2000 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf im Urteil vom 21.01.2010 14 K 575/08 G,Zerl übte der Kläger seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter im Streitzeitraum in einer Einzelkanzlei aus. Er unterhielt Zweigstellen in (), () und (). Im Jahr 1998 beschäftigte er durchgehend zwei, in den Jahren 1999 und 2000 drei Rechtsanwälte sowie fortlaufend einen Hochschulingenieurökonom, 5 bis 7 Fachkräfte und einige Hilfskräfte.

Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit erklärte er in den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre unter der Berufsangabe „Rechtsanwalt/Konkursverwalter” insgesamt als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Die Erklärungen für die Jahre 1998 und 1999 reichte er im Jahr 2000, die Erklärung für das Jahr 2000 im Jahr 2002 bei dem Beklagten ein.

In den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre setzte der Beklagte die Einkünfte erklärungsgemäß als solche aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG an.

Am 02.12.2002 ordnete der Beklagte bei dem Kläger eine Betriebsprüfung unter anderem wegen Einkommensteuer und Gewerbesteuer der Jahre 1998 bis 2000 an. Beginn der Prüfung war am 12.12.2002.

Im Betriebsprüfungsbericht vom 30.12.2004 vertrat die Prüferin die Auffassung, dass der Kläger aus seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 EStG erzielt habe. Eine selbständige Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG habe nicht vorgelegen, da eine solche Tätigkeit überwiegend höchstpersönlich ausgeübt werden müsse.

Unter dem 19.07.2005 erließ der Beklagte unter Bezugnahme auf den Betriebsprüfungsbericht erstmalige Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 1998 bis 2000. Darin erfasste er die Einkünfte des Klägers aus der Insolvenzverwaltertätigkeit als Gewinn aus Gewerbebetrieb.

Ebenfalls unter Bezugnahme auf den Betriebsprüfungsbericht erließ der Beklagte unter dem 21.07.2005 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2000 und hob zugleich die Vorbehalte der Nachprüfung auf.

Die Einkünfte des Klägers aus der Insolvenzverwaltertätigkeit wurden in den Bescheiden nunmehr als solche aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 15 EStG erfasst. Zudem gewährte der Beklagte für diese Einkünfte eine Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte gemäß § 32c EStG, die sich für 1998 auf 110.380 DM, für 1999 auf 265.507 DM und für 2000 auf 194.202 DM belief.

Gegen die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1998 bis 2000 ging der Kläger im Rahmen eines Einspruchs- und Klageverfahrens vor.

Den Einspruch gegen die Bescheide wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 06.02.2008 als unbegründet zurück, da die Insolvenzverwaltertätigkeit des Klägers nach der sog. Vervielfältigungstheorie des Bundesfinanzhofs (BFH) unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne der § 15 Abs. 2 EStG...

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