Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuermindernde Berücksichtigung einer Gehaltsrückzahlung – Nichtversteuerung im Zuflussjahr aus formellen Gründen
Leitsatz (redaktionell)
Die Grundsätze von Treu und Glauben stehen der steuermindernden Berücksichtigung einer im Zuflussjahr aus formellen Gründen (fehlende Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) nicht versteuerten Gehaltsrückzahlung als Werbungskosten nicht entgegen, wenn die Nichtversteuerung im ursprünglichen bestandskräftigen Bescheid für das Zuflussjahr auf rechtsirrigen Annahmen der Finanzbehörde beruht und der Stpfl. zu keinem Zeitpunkt im Einverständnis mit der Finanzbehörde auf diese materiell fehlerhaft Steuerfestsetzung hingewirkt hat (vgl. dazu BFH-Urteil im 1. Rechtsgang vom 29.01.2009 VI R 12/06, BFH/NV 2009, 1105).
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1; AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; BGB § 242
Streitjahr(e)
1999
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Gehaltsrückzahlung steuermindernd zu berücksichtigen ist.
Die verheirateten Kläger werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war von 1988 bis einschließlich Februar 1998 als angestellte Geschäftsführerin der A-GmbH (fortan: GmbH) tätig. Der Bruttoarbeitslohn aus dieser Tätigkeit in den ersten zwei Monaten des Jahres 1998 betrug 39.142 DM. Für die Monate März bis Dezember 1998 zahlte die GmbH der Klägerin ein Gehalt von insgesamt 118.000 DM, obgleich die Klägerin für diesen Zeitraum wegen Erwerbsunfähigkeit keinen weiteren Anspruch auf Gehaltszahlungen hatte. Laut Rentenbescheid der Bundesanstalt für Angestellte vom 10.06.1999 wurde der Klägerin gemäß deren Antrag vom 26.02.1998 ab dem 01.02.1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gezahlt.
Die Klägerin, die die Einkommensteuererklärungen selber erstellt, nahm vor Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 Kontakt mit dem zuständigen Bearbeiter der Finanzbehörde auf, da sie sich über die steuerliche Behandlung der in 1998 erhaltenen Zahlungen im Unklaren war. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Bearbeiter die Klägerin aufforderte, eine Lohnsteuerbescheinigung vorzulegen, die nur den in den ersten Monaten erzielten Arbeitslohn von 39.142 DM ausweist.
Die Klägerin beauftragte daraufhin die jetzigen Bevollmächtigten, eine entsprechend geänderte Lohnsteuerkarte zu erstellen, da die im Anschluss an diesen Zeitraum gezahlten Beträge nach Auffassung des Sachbearbeiters Darlehenscharakter hätten. In einem Telefongespräch der Bevollmächtigten mit dem Beklagten (dem Finanzamt FA ) wurde der Sachverhalt nochmals besprochen. Unstreitig bat der Sachbearbeiter um Vorlage einer Bescheinigung, wonach die Zahlungen an die Klägerin ab März 1998 bei der GmbH nicht gewinnmindernd, sondern als Forderung verbucht worden seien.
Mit Schreiben an die GmbH vom 03.12.1999 übersandten die Bevollmächtigten die Lohnsteuerkarte für 1998. Diese weist als Dauer des Dienstverhältnisses den Zeitraum 01.01. - 31.12.1998 und einen Arbeitslohn von 39.142,05 DM aus. Die einbehaltene Lohnsteuer ist mit 38.828 DM angegeben. In dem Schreiben bestätigen die Bevollmächtigten, dass das Gehalt von monatlich 11.800 DM ab März 1998 in der Buchführung der GmbH als Forderung gegenüber der Klägerin verbucht worden sei.
Die Kläger reichten die Einkommensteuererklärung 1998 am 06.12.1998 unter Beifügung der vorbezeichneten Unterlagen beim FA ein.
Am 26.01.2000 wies das FA die Kläger darauf hin, die Anrechnung der zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuer sei nicht möglich. Die Kläger sollten einen „beigefügten Vordruck” (Besondere Lohnsteuerbescheinigung) ausgefüllt zurücksenden, in dem nur die im Zusammenhang mit dem Arbeitslohn von 39.142 DM einbehaltene Lohnsteuer auszuweisen sei. Das FA vertrat die Auffassung, die „nach Beendigung des Dienstverhältnisses” weiter abgeführte Lohnsteuer sei durch entsprechend berichtigte Lohnsteueranmeldungen beim Finanzamt X zurückzuerstatten.
Am 04.02.2000 legten die Kläger eine „Besondere Lohnsteuerbescheinigung” für 1998 vor, in welcher der Arbeitslohn mit 39.142,05 DM und die einbehaltene Lohnsteuer mit 7.871 DM angegeben sind.
Mit Bescheid vom 22.02.2000 setzte das FA die Einkommensteuer 1998 auf 61 DM fest. Es legte der Steuerfestsetzung Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit von 39.142 DM zu Grunde.
Am 03.03.2000 reichten die Bevollmächtigen beim FA unter Bezugnahme „auf das gestrige Telefonat” den Rentenbescheid, den Geschäftsführervertrag der Klägerin mit der GmbH vom 22.08.1988 und einen Kontoauszug aus dem Jahre 1999 betreffend die Gehaltsrückzahlung ein. Hinsichtlich des Zahlungsbetrages wiesen sie darauf hin, der Gesamtbetrag beinhalte noch die Tilgung einer weiteren Forderung.
Am 29.03.2000 wandte sich das FA an die Lohnsteueraußenprüfungsstelle des Finanzamtes X und legte den Sachverhalt sowie die weitere Vorgehensweise in Sachen Einkommensteuer 1998 der Kläger dar. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben verwiesen.
Mit Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 10.04.2000 änderte das FA die...