Entscheidungsstichwort (Thema)
Pauschbetrag für Kinderbetreuungskosten bei beiderseits berufstätigen Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
Der Pauschbetrag für Kinderbetreuungskosten i. S.v. § 33c Abs. 5 EStG steht auch zusammenveranlagten Ehegatten zu, die beide berufstätig sind und von denen einer zu 50 v.H. behindert ist.
Normenkette
EStG § 33c Abs. 5 Nr. 1, Abs. 1, 4
Tatbestand
Streitig ist die Abzugsfähigkeit des Pauschbetrages für Kinderbetreuungskosten i. S.v. § 33 c Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes – EStG –.
Die Kläger, zusammenveranlagte Eheleute, erzielen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger, zu 50 % behindert, arbeitet ganztags als Ingenieur in … die Klägerin ist als Vollzeitkraft Lehrerin an einer Hauptschule in ….
In der Einkommensteuererklärung 1990 beantragten die Kläger den Abzug des Pauschbetrages für Kinderbetreuungskosten i.H.v. 2 (480,– DM für ihre beiden 1978 und 1981 geborenen Kinder. Wegen der beiderseitigen Berufstätigkeit teile man sich neben der Hausarbeit auch die Kinderbetreuung. Da die Klägerin morgens das Haus um 7.05 Uhr verlasse, versorge der Kläger die Kinder bis zum Schulbeginn um 7.45 Uhr. Am frühen Nachmittag übernehme zunächst die Klägerin die Aufsicht, bevor der Kläger sie nach Rückkehr aus dem Büro gegen 16.45 Uhr bis 17.15 Uhr ablöse, so daß die Klägerin den Unterricht vor- und nachbereiten könne. Der Kläger müsse die von ihm im Rahmen der Aufgabenteilung übernommene Kinderbetreuung häufiger seinem Schwiegervater überlassen, wenn er selbst aufgrund seiner Behinderung Arzttermine wahrnehmen müsse, etwa zur regelmäßigen Untersuchung des medikamentös dünnflüssig gehaltenen Blutes (nüchtern, 7.45 Uhr bis 8.15 Uhr), ebenso der Augen (Gesichtsfeldbeeinträchtigung) bei einem Augenarzt in … von wo aus er zwecks Zeitersparnis sogleich … zur Arbeitsstelle fahre. Zudem ermüde der Kläger infolge seiner Behinderung leicht, so daß der Schwiegervater …, auch gelegentlich an Spätnachmittagen für ihn die Kinderbetreuung übernehme. Der Vater habe – wie im Vorjahr – einen Stundenlohn von 8,– DM erhalten.
Der Beklagte verwehrte einen Abzug der Kinderbetreuungskosten. Wenn beide Ehegatten berufstätig seien, seien die Betreuungskosten nicht auf die Behinderung des Ehegatten, sondern die Berufstätigkeit zurückzuführen. Bei Doppelverdienern seien solche Aufwendungen durch den Kinderlastenausgleich abgegolten. Auf die Gründe der ebenfalls ablehnenden Einspruchsentscheidung vom … die zugleich auf Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung des Splittingtarifs im Vergleich zur Besteuerung Alleinstehender sowie auf die Bundestagsdrucksachen zu Kinderbetreuungskosten bei Ehepaaren Bezug nimmt, wird verwiesen.
Im Klageverfahren machen die Kläger geltend, die Auffassung des Beklagten sei mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar. Wegen weiterer Einzelheiten des Klagevortrags wird auf die Klageschrift vom … nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
in dem Einkommensteuerbescheid 1990 Pauschbeträge für Kinderbetreuung von 960,– DM anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Den Klägern stehen die geltend gemachten Pauschbeträge für Kinderbetreuungskosten zu.
Gem. § 33 c Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1, 4 EStG können notwendige Kinderbetreuungskosten mit einem Pauschbetrag von 480,– DM je Kind als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, soweit die Aufwendungen wegen Behinderung oder Krankheit eines Ehegatten erwachsen, wenn der andere Ehegatte erwerbstätig oder ebenfalls krank oder behindert ist.
Der Gesetzeswortlaut fordert einen Kausalzusammenhang zwischen der Behinderung und den Betreuungskosten, der hier nach den Gesamtumständen anzunehmen ist.
Da die Arztbesuche, vor allem die Blutuntersuchungen, gerade wegen der Behinderung des Klägers erforderlich waren – wie auch der Beklagte nicht bestritten hat – und sie in eine Zeit fielen, in der die Kinder nicht ohnehin in der Schule waren und in der die Betreuung dem Kläger oblag, waren – ebenfalls unstreitige – Aufwendungen für den mit der Aufsicht beauftragten Schwiegervater durch die Behinderung verursacht (vgl. auch Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts – FG – vom 05.03.1991 I 362/88, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1991, 539). Die Aufwendungen wären nach dem Sachverhalt ebenso entstanden, wenn der Kläger nicht berufstätig gewesen wäre. Bedenken gegen die Notwendigkeit der Betreuung, die im Regelfall auch keiner Prüfung bedarf (vgl. Abschnitt 101 Abs. 6 der Lohnsteuerrichtlinien 1990 – LStR –), bestehen angesichts des Alters der Kinder nicht. Die Höhe der Aufwendungen bedarf keiner Prüfung, da die Pauschbeträge gem. § 33 c Abs. 4 EStG Mindestbeträge darstellen.
Entgegen der Ansicht des Beklagten und entgegen Abschnitt 101 Abs. 3 S. 7 LStR ist der Abzug von Betreuungskosten berufstätiger Ehegatten weder nach dem Wortlaut noch nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ausgeschlossen (vgl. ebenso Urteil des FG Münster vom 31.10.1991 1 K 28...