Entscheidungsstichwort (Thema)
Kaufpreisaufteilung in Boden- und Gebäudewert: Vorrangigkeit des Sachwertverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
- Für die stichtagsbezogene Verkehrswertermittlung zum Zwecke der Kaufpreisaufteilung bei vermieteten Mehrfamilienhäusern ist vorrangig das Sachwertverfahren anzuwenden.
- Die Aufwendungen für die Beseitigung von nach dem Erwerb eines Gebäudes auftretenden verdeckten Mängeln sind unabhängig davon, ob sie im Zeitpunkt der Anschaffung bereits vorhanden oder angelegt waren, in die Betragsgrenze der anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG einzubeziehen (Anschluss an BFH-Urteil vom 09.05.2017 IX R 6/16, BStBl II 2018, 9).
- An die Regelung des BMF-Schreibens v. 20.10.2017, BStBl I 2017, 1447, nach dem die bisherige (vor dem 14. Juni 2016 ergangene) BFH-Rechtsprechung zur Behandlung der Schönheitsreparaturen im Zusammenhang mit anschaffungsnahen Herstellungskosten für Anschaffungen vor dem 01.01.2017 auf Antrag des Steuerpflichtigen weiterhin Anwendung findet, sind die Finanzgerichte nicht gebunden.
- Der Vereinfachungszweck des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gebietet, die tatsächlich gezahlten Rechnungsbeträge für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen ohne Prüfung der zivilrechtlichen Richtigkeit der Höhe einzelner Rechnungspositionen in die Berechnung der Betragsgrenze der anschaffungsnahen Herstellungskosten einzubeziehen.
- Üblicherweise jährlich anfallende Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG können nicht pauschal mit einem Erfahrungswert angesetzt werden.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1a, § 7 Abs. 4 S. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, Abs. 5 S. 2, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; AO § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Aufteilung des Kaufpreises für ein vermietetes Mehrfamilienhaus für Zwecke der Bemessung der Absetzung für Abnutzung (AfA) und, ob sofort abzugsfähiger Erhaltungsaufwand oder Anschaffungskosten vorliegen.
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 08.06.2012 erwarben sie das Grundstück H.-straße in G.. Das Grundstück ist mit einem ca. 1961 errichteten und zu fremden Wohnzwecken genutzten Mehrfamilienhaus bebaut. Der Kaufpreis betrug 395.000,- EUR. Die Anschaffungsnebenkosten beliefen sich auf 37.100,43 EUR. Das Grundstück ist…qm groß; hiervon bebaut sind…qm. Das Objekt verfügt über insgesamt…Wohneinheiten mit insgesamt ca.…qm, verteilt auf vier Etagen (EG, 1. und 2. OG sowie DG). Zum Objekt gehört eine ebenfalls vermietete Garage. Nutzen und Lasten an dem Objekt gingen im Juli 2012 auf die Kläger über.
In der Steuererklärung für das Streitjahr 2012 erklärten die Kläger aus dem Objekt H.-straße Mieteinnahmen in Höhe von 12.773,- EUR und zeitanteilig ab dem 02.07.2012 (= 6/12) berechnete Abschreibungen ausgehend von einem linearen AfA-Satz von 2 % und einer Bemessungsgrundlage von 303.636,97 EUR, wobei sie von einem Gebäudeanteil von 70,27 % ausgingen (432.100,43 EUR * 70,27 %). Darüber hinaus erklärten sie - neben weiteren, nicht streitgegenständlichen Werbungskosten in Höhe von 3.727,- EUR - sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 52.191,- EUR brutto. Hierin enthalten sind u.a. Aufwendungen für die Erneuerung der Elektroninstallation in der Wohnung 2. OG (4.165,- EUR brutto), die Erneuerung der Zähleranlage in der Wohnung 2. OG (2.075,36 EUR brutto), die Beseitigung von Rohrbrüchen an den Wasser- und Abwasser-Steigesträngen im Bad und in der Küche in der Wohnung 2. OG (1.707,65 EUR brutto, Arbeiten ausgeführt am 13.07. und 16.07.2012), die Erneuerung der Bäder und Heizkörper in der Wohnung 2. OG (10.240,82 EUR brutto), die Arbeiten an Türen, Fliesen und Laminat sowie Malerarbeiten der Firma X. (15.000,- EUR und 18.500,- EUR brutto) und für die Montage von Heizkostenverteilern an den neuen Heizungen durch die Firma S. in Höhe von 108,17 EUR brutto.
Die aus dem Objekt H.-straße erklärten Vermietungseinkünfte betrugen für das Streitjahr 2012 insgesamt ./. 46.182,- EUR.
Bei der Ermittlung des Gebäudewertes gingen die Kläger von einem Bodenrichtwert von ...,- EUR/qm aus und setzten diesen Wert (117.450,- EUR) ins Verhältnis zu dem gezahlten Kaufpreis von 395.000,- EUR (= Grundstück 29,73 %). Der Beklagte setzte die Einkünfte aus dem Objekt H.-straße erklärungsgemäß an. Die Steuerfestsetzung 2012 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung - AO).
Für die Beseitigung der Rohrbrüche im Jahr 2012 erhielten die Kläger von ihrer Versicherung eine Erstattungsleistung in Höhe von 1.500,- EUR. Die Erstattungsleistung hatten die Kläger in ihren erklärten Einkünften von ./. 46.182,- EUR nicht berücksichtigt.
In den in 2015 bei dem Beklagten eingereichten Steuererklärungen für die Streitjahre 2013 und 2014 erklärten die Kläger bezogen auf das Objekt H.-straße Mieteinnahmen in Höhe von 38.905,- EUR (in 2013) bzw. 39.679,- EUR (in 2014) sowi...