Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Eintritt der Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung
Leitsatz (redaktionell)
- Die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung tritt bereits mit dem formlosen Abschluss der Verhandlung ein, in der die Vertreter der Finanzverwaltung und der Stpfl. ihre vorbehaltlose Zustimmung erteilt haben.
- Eine von allen Seiten unterschriebene Ausfertigung des protokollierten Verhandlungsergebnisses hat keine konstitutive Bedeutung, sondern dient lediglich Beweissicherungszwecken. Die spätere Verweigerung der Unterschrift durch die Vertretenen steht daher der Bindungswirkung nicht entgegen.
- Eine Verfahrensvollmacht ermächtigt grundsätzlich auch zur Erteilung einer Untervollmacht. Diese schließt die Befugnis zum Abschluss einer tatsächlichen Verständigung ein.
- Einer Abstimmung des Unterbevollmächtigten mit dem Vertretenen über die Inhalte der Verständigung bedarf es zu deren Wirksamkeit nicht.
Normenkette
AO § 80 Abs. 1 S. 2; BGB § 167 Abs. 1; 2. Alt.; BGB § 171 Abs. 2
Streitjahr(e)
1993
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die wirksame Vertretung der Kläger bei Abschluss einer tatsächlichen Verständigung.
Die Kläger waren ehemals die Gesellschafter der „L-KG” (im Folgenden: KG), die lt. Eintragung im Handelsregister vom 28.05.1999 aufgelöst wurde und zwischenzeitlich im Register gelöscht ist. Im Streitjahr (1993) waren die Kläger zu 1) bis 4) Kommanditisten der KG; einzige Komplementärin und zugleich Geschäftsführerin war die „L-GmbH” (im Folgenden: GmbH), vertreten durch den Kläger zu 1) als Geschäftsführer und – lt. Handelsregister bis zum 23.08.1995 – zusätzlich die Klägerin zu 2), dessen Ehefrau, als weitere Geschäftsführerin. Die GmbH ist seit 31.01.2003 erloschen und ebenfalls im Handelsregister gelöscht.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung (BP) des Finanzamts (FA) für GroßBP „N-Stadt” ergingen für die KG am 06.08.1998 u. a. geänderte Feststellungsbescheide 1991 bis 1995 (Einzelbekanntgabe), gegen die sämtliche Kläger, vertreten durch Rechtsanwalt (RA) „G”, Einsprüche einlegten und i. E. begründeten. Eine Ergänzung der Einspruchsbegründung mit Schriftsatz vom 24.09.1998 war – unter dem Briefkopf „G” – mit „i. V. „T”, RA´in” unterschrieben. Der Prüfer folgte den Einwendungen indes nicht und forderte die Kläger zu weiterer Aufklärung auf. Im laufenden Einspruchsverfahren, am 21.12.1998, fand in den Räumen der GroßBP eine Besprechung statt, an der auf Klägerseite RA´in „T” vom Büro RA „G” und auf Beklagtenseite der Prüfer, dessen Sachgebietsleiter und der Sachgebietsleiter des (damaligen) Festsetzungs-FA teilnahmen. Wie in dem (Anfang Januar 1999 ausgefertigten und sodann von RA´in „T” unterschriebenen) Protokoll festgehalten, erzielten die Teilnehmer in der Verhandlung eine tatsächliche Verständigung und einigten sich dahin, dass die aufgrund dieses Ergebnisses geänderten Steuerbescheide zur Erledigung der anhängigen Rechtsbehelfsverfahren führen würden.
Mit Schriftsätzen vom 11.02.1999 zeigte der Prozessbevollmächtigte (RA „R”) an, nunmehr die KG zu vertreten. Er erklärte die Anfechtung der tatsächlichen Verständigung und wies darauf hin, dass weder RA „G” noch RA´in „T” über eine ausreichende Vertretungsmacht zum Abschluss der Einigung gehabt hätten. Sollte ein schriftlicher Vollmachtsnachweis existieren, möge er in Ablichtung vorgelegt werden. Äußerst vorsorglich erklärte der Prozessbevollmächtigte zugleich durch Schreiben an RA „G” die Kündigung eine etwaigen Mandatsverhältnisses mit der KG.
RA „G” erwiderte mit Schriftsatz vom 22.02.1999 gegenüber der GroßBP, eine schriftliche Vollmacht nicht vorlegen zu können; das Mandat habe jedoch bestanden. Während der dreistündigen Verhandlung am 21.12.1998 habe RA´in „T” zunächst mit dem Kläger zu 1), auf dessen Bitten hin sodann auch mit der Klägerin zu 2) per Handy telefoniert und von beiden die Zustimmung zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung erhalten. Die Kläger hätten zunächst keine Einwände gegen das Verhandlungsprotokoll, das Zustandekommen oder das Ergebnis der tatsächlichen Verständigung erhoben. Zur Unterzeichnung vorbereiteter Vollmachtsurkunden sei es indes nicht mehr gekommen, weil die Kläger zu einer weiteren Unterredung in der Kanzlei nicht erschienen seien. Der Prüfer (Stellungnahme vom 05.03.1999) bestätigte den angegebenen Sachverhalt zum Zustandekommen der tatsächlichen Verständigung (Telefongespräche per Handy).
Das Festsetzungs-FA wies die Kläger darauf hin, von einer wirksamen Bevollmächtigung des Büros „G” auszugehen, weil es Einwendungen gegen den BP-Bericht vom 29.01.1998 erhoben, Einsprüche gegen die anschließend erlassenen Änderungsbescheide eingelegt und Verhandlungen mit der GroßBP geführt habe. RA´in „T” erklärte auf Befragen am 05.10.1999 telefonisch, während der Verhandlung am 21.12.1998 zweimal mit dem Kläger zu 1) und einmal mit der Klägerin zu 2) telefonier...