Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Die entgeltliche Unterbringung eines Kindes in einer sog. Fachfamilie über einen Trägerverein muss nicht „Erwerbszwecken” im einkommensteuerrechtlichen Sinn dienen
Leitsatz (redaktionell)
- Wird ein Pflegekind durch Vermittlung eines Trägervereins auf der Grundlage eines lediglich grundsätzliche Fragestellungen des Betreuungsauftrages (Qualitätssicherung) regelnden Erziehungsstellenvertrags in eine sog. sozialpädagogische Fachfamilie aufgenommen, führt diese Gestaltung nicht zu einer Betreuung durch den Verein.
- Bei dieser Fallgestaltung liegt eine Aufnahme zu Erwerbszwecken nicht bereits deshalb vor, weil es sich nach dem System der Pflegekonzepte der Jugendhilfe um eine Unterbringung in einer betreuten Wohnform handelt.
- Selbst wenn im Verhältnis zwischen Trägerverein und Jugendamt ein an marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten orientiertes Entgelt für die Unterbringung des Pflegekindes fließen sollte, hat dies keine Auswirkungen auf den Kindergeldanspruch solange die Person, die das Pflegekind in ihren Haushalt aufgenommen hat, nicht die Voraussetzungen einer Aufnahme zu Erwerbszwecken erfüllt.
- Ein Tagessatz von 44,17 Euro entspricht noch nicht den Marktpreisen für eine vollzeitige Tagesbetreuung.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1; SGB VIII §§ 34, 45
Streitjahr(e)
2005, 2006
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger für das Kind Claudia (geboren am 12. Dezember 1993) als Pflegekind einen Kindergeldanspruch hat.
Der Kläger bezog für seine vier leiblichen Kinder fortlaufend Kindergeld. Im Juli 2002 nahmen er und seine Ehefrau Claudia in ihren Haushalt auf. Nach einer Betriebserlaubnis des Landschaftsverbandes Rheinland gemäß § 45 des 8. Sozialgesetzbuches (SGB VIII) für den Erziehungsverein N-Beratung e. V. (N. e.V.) zum Betrieb einer sonstigen betreuten Wohnform sind der Kläger und seine Ehefrau als so genannte sozialpädagogische Fachfamilie zur Unterbringung eines Kindes tätig.
Am 16. Juli 2002 schloss die Ehefrau des Klägers mit dem N. e.V. einen Betreuungsvertrag, in dem sich die Ehefrau u. a. verpflichtete, eigenverantwortlich als erziehender Elternteil für den Verein tätig zu sein und in eigener Verantwortung und auf eigene Gefahr die ihr übertragenen Betreuungsaufgaben wahrzunehmen und auszuführen, wie dies bei eigenen Kinder geschieht. Für das Vertragsverhältnis gelten keine arbeitsrechtlichen Vorschriften und eine feste Betreuungszeit wird nicht vereinbart. Der Verein verpflichtete sich zur Zahlung eines Erziehungs-/Betreuungsgeldes in Höhe von monatlich 1.176,30 Euro sowie eines Aufwandentgeltes für den Unterhalt Claudias von monatlich 687,87 Euro. Auf den weiteren Inhalt des Vertrages (Bl. 9 bis 11 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Des Weiteren schlossen der Kläger und seine Ehefrau am 16. Juli 2002 eine Vereinbarung über die Ausübung der Personensorge mit den leiblichen Eltern Claudias.
Am 26. April 2005 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Kindergeld für Claudia und legte eine Erklärung des Jugendamtes der Stadt V. vor, wonach für Claudia seit dem 16. Juli 2002 Hilfe zur Erziehung gemäß § 33 SGB VIII (sog. Vollzeitpflege) gewährt werde. Zugleich teilte der Kläger mit, dass Claudia auf unbestimmte Dauer in seinem Haushalt lebe. Zum 1. Mai 2005 nahm der Beklagte rückwirkend ab 1. August 2002 die Kindergeldzahlung für Claudia auf.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2005 beantragte das Jugendamt der Stadt V. bei der zuständigen Familienkasse die Auszahlung von Kindergeld für Claudia und wies darauf hin, dass es sich bei der Unterbringung in der Familie des Klägers nicht um ein Pflegeverhältnis sondern um eine Unterbringung in einer betreuten Wohnform nach § 34 SGB VIII handele.
Im Bescheid vom 16. September 2005 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung für Claudia gegenüber dem Kläger ab dem 1. Oktober 2005 gemäß § 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Kindergeldfestsetzung auf Grund fehlerhafter Rechtsanwendung erfolgt sei, weil es sich bei der Aufnahme Claudias in den Haushalt des Klägers nicht um eine Vollzeitpflege, sondern um eine betreute Wohnform handele.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 22. September 2005 Einspruch ein und führte aus: Zwischen seiner Familie und Claudia bestehe ein familienähnliches Band. Claudia werde voraussichtlich mindestens bis zu ihrem 18. Geburtstag in seinem Haushalt leben. Da nur ein Kind in seinem Haushalt aufgenommen sei, komme eine Aufnahme zu Erwerbszwecken nicht in Betracht. Das Kindergeldgesetz rechtfertige keine Unterscheidung zwischen Vollzeitpflege und betreuter Wohnform.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Betreuung Claudias im Rahmen einer sonstigen betreuten Wohnform nach § 34 SGB VIII erfülle nicht die Voraussetzungen für ein...