Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung überhöhter Lohnsteueranmeldungen, Veränderungssperre des § 41c Abs. 3 EStG, Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigungen, Rechtsschutzbedürfnis nach erfolgter Lohnsteueranrechnung bei den Arbeitnehmern
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Änderung der Lohnsteueranmeldungen mit dem Ziel der Minderung der einzubehaltenden und zu übernehmenden Lohnsteuer ist ungeachtet der Veränderungssperre des § 41c Abs. 3 EStG auch nach der Übermittlung oder Ausschreibung der Lohnsteuerbescheinigungen möglich, wenn die erteilten Lohnsteuerbescheinigungen noch im elektronischen Verfahren mit der Folge geändert wurden, dass die Arbeitnehmer keine höheren als die materiell richtigen Lohnsteuerbeträge bei ihrer Einkommensteuer zur Anrechnung bringen konnten.
- Hingegen entfällt das Rechtsschutzbedürfnis des Arbeitgebers für eine Änderung überhöhter Lohnsteueranmeldungen und eine hieraus folgende Erstattung, wenn auf Grund der materiell-rechtlich unzutreffenden Lohnsteuerbescheinigungen davon auszugehen ist, dass die Lohnsteueranrechnungen bei den Arbeitnehmern zumindest zum Teil bereits erfolgt sind.
Normenkette
EStG § 41 c Abs. 3; AO § 164 Abs. 2 S. 1, § 168 S. 1
Streitjahr(e)
2011, 2012
Tatbestand
Die Klägerin begehrt in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin im Ergebnis die Erstattung von abgeführter deutscher Lohnsteuer für die Jahre 2011 und 2012 für acht Arbeitnehmer, die sie in den Niederlanden beschäftigte.
Die Klägerin war unter anderem auch in den Niederlanden tätig. Sie war dort im Zusammenhang mit dem Bau eines Kraftwerkes Subunternehmerin des Generalunternehmers, der Firma A. Dort begründete sie, wovon die Beteiligten derzeit übereinstimmend ausgehen, eine Betriebsstätte und beschäftigte dauerhaft acht in Deutschland wohnende Arbeitnehmer. Die Klägerin meldete für die Streitjahre in Deutschland (auch) für diese Arbeitnehmer Lohnsteuern an und führte die Lohnsteuer ab. Im Nachhinein stellten die niederländischen Steuerbehörden, ausgehend von einer Betriebsstätte der Klägerin in den Niederlanden, zutreffend fest (niederländischer Haftungsbescheid vom 25.2.2013), dass aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zwischen den Niederlanden und Deutschland für diese acht Arbeitnehmer in den Niederlanden und nicht in Deutschland Lohnsteuer abzuführen war. Eine deutsche Lohnsteuerbelastung für diese Arbeitnehmer verblieb demnach nur in geringem Umfang soweit Lohn für Tage, an denen nicht tatsächlich gearbeitet worden war, gezahlt wurde (z.B. Feiertage).
Für das Jahr 2011 hatte die Klägerin zunächst die deutsche Lohnversteuerung bescheinigt. Eine Änderung der Lohnsteuerbescheinigungen war später nicht mehr möglich, so dass es trotz zwischenzeitlicher Zahlung der niederländischen Lohnsteuer bei den einmal erteilten Lohnsteuerbescheinigungen verblieb und die Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagungen davon Gebrauch machten, sofern sie Einkommensteuererklärungen abgegeben haben.
Die für 2012 erteilten Lohnsteuerbescheinigungen wurden hingegen noch im elektronischen Verfahren geändert, mit der Folge, dass die Arbeitnehmer für 2012 keine höheren als die „richtigen” Lohnsteuerbeträge bei ihrer deutschen Einkommensteuer zur Anrechnung bringen konnten. Denn die für die Arbeitnehmerveranlagungen zuständigen Finanzämter gehen bei der Anrechnung von Lohnsteuer von den zuletzt elektronisch erfassten und ihnen übermittelten Beträgen aus.
Daraufhin stellte die Klägerin unter dem Betreff „Lohnsteuerfestsetzungen” den Antrag (Schreiben vom 3.7.2013), die in Deutschland zuviel gezahlten Beträge zu erstatten bzw. die „holländische Steuer anzurechnen”. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Schriftsatz vom 31.7.2013 ab.
Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 15.1.2014). Der Beklagte war der Auffassung, eine Erstattung sei nur noch im Wege der Einkommensteuerveranlagungen der Arbeitnehmer möglich. Die Vorschriften der §§ 41 c Abs. 3 und 42 b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stünden einer Änderung der Lohnsteueranmeldung nach Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung entgegen.
Dagegen richtet sich die am 17.2.2014 erhobene Klage.
Im Klageverfahren hat der Beklagte an seiner Auffassung festgehalten. Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 30.10.2008 VI R 10/05, Bundessteuerblatt (BStBl) Teil II 2009, Seite 354, entschieden, dass eine Änderung der Lohnsteuer-Entrichtungsschuld unter den Voraussetzungen abgabenrechtlicher Berichtigungsvorschriften trotz der Regelung in § 41 c Abs. 3 EStG möglich sei. Die sei jedoch, wie das Urteil des BFH vom 17.6.2009 VI R 46/07, BStBl II 2010, 72, zeige, nur dann möglich, wenn durch die Berichtigung zusätzliche Lohnsteuer festgesetzt werde. Hingegen könnten Lohnsteuererstattungen ausschließlich bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers entstehen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 31.07.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.01.2014 das beklagte Finanzamt ...