Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerfreiheit von Betreuungsleistungen eines gemeinnützigen Vereins durch sog. Vereinsbetreuer
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG maßgeblichen Beurteilung, ob die Entgelte für Betreuungsleistungen durch einen Verein der freien Wohlfahrtspflege (sog. Vereinsbetreuer) hinter dem durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen (sog. Berufsbetreuer) verlangten Entgelten zurückbleiben, ist die Möglichkeit des Aufwendungsersatzes für Allgemeinkosten mit in den Vergleich einzubeziehen.
- Für Betreuungsleistungen, die gegenüber nicht mittellosen Betreuten erbracht werden, ergibt sich die Umsatzsteuerfreiheit bereits aus der unmittelbaren Anwendung von § 4 Nr. 18 UStG.
- Soweit nach § 1836a BGB in der ab dem Jahr 1999 geltenden Fassung i. V. mit § 1 BVormVG die Vergütungshöhe von Vereinsbetreuern und Berufsbetreuern für die Betreuung mittelloser Personen identisch ist, ist die Umsatzsteuerbefreiung der Betreuungsvereine unmittelbar aus Art. 13 Teil A (1) Buchstabe g der Richtlinie 77/388/EWG abzuleiten.
- Ein Ausschluss der Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil A (2) Buchst. b 2. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG ist zu verneinen, weil eine klassische Wettbewerbssituation zwischen Vereinsbetreuern und Berufsbetreuern nicht besteht und die Leistungen der Vereinsbetreuer nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen zu verschaffen.
- Die Einschränkung der Steuerfreiheit durch das Abstandsgebot des § 4 Nr. 18c UStG ist nicht durch die in Betracht kommenden Bedingungen nach Art. 13 Teil A (2) Buchst. a 3. und 4. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG gedeckt.
- Die Entgeltbeschränkung des Art. 13 Teil A (2) Buchst. a 3. Spiegelstrich darf nur in der Weise in das nationale Recht eines Mitgliedsstaates übernommen werden, dass staatlich genehmigte Preise von dieser Voraussetzung ausgenommen werden.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 18 S. 1 Buchst. c, § 10 Abs. 1; UStDV § 23 Nr. 2; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A; BGB §§ 1835, 1836 Abs. 2, § 1908e Abs. 1, § 1908i Abs. 1; BVormVG § 1
Streitjahr(e)
1996, 1997, 1998, 1999, 2000
Tatbestand
Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung von Betreuungsleistungen, die der Kläger durch Vereinsbetreuer gegenüber mittellosen und ggfs. auch nicht mittellosen Betreuten erbringt.
Der – dem deutschen Caritasverband angeschlossene – Kläger ist ein eingetragener Verein, „...”. Vereinszweck ist die Erbringung von sozialen Leistungen, u.a. Betreuungsleistungen i. S. v. §§ 1896 ff Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – durch hierzu bestellte Mitarbeiter des Klägers, so genannte Vereinsbetreuer.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die aus der Betreuung durch Vereinsbetreuer resultierenden Entgelte steuerfrei seien nach § 4 Nr. 18 Umsatzsteuergesetz – UStG –. Dementsprechend gab er für die Streitjahre 1996 – 1998 Umsatzsteuererklärungen ab (Eingang beim Beklagten jeweils am 29.08.2001), in denen er die Umsätze aus den Betreuungsleistungen jeweils als steuerfrei behandelte und auch im Übrigen keine steuerpflichtigen Umsätze erklärte. Für die Streitjahre 1999 und 2000 gab der Kläger Umsatzsteuererklärungen ab (Eingang der Umsatzsteuererklärung 1999 beim Beklagten am 12.01.2001, der Umsatzsteuererklärung 2000 am 26.07.2001), in denen er die im Zusammenhang mit den Betreuungsleistungen erzielten Umsätze als steuerpflichtig und dem ermäßigten Steuersatz i. H. v. 7% unterliegend behandelt hatte. Unter dem 06.03.2001 erließ der Beklagte einen gem. § 164 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - geänderten Umsatzsteuerbescheid 1999 mit korrigierten Nettoumsätzen; wegen der Einzelheiten wird auf diesen Bescheid verwiesen.
Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte die Prüferin unter Hinweis auf ein Schreiben des Bundesministers der Finanzen – BMF – vom 21.09.2000 (Bundessteuerblatt – BStBl – I 2000, 1251) zu der Auffassung, die Umsätze aus den Betreuungsleistungen seien nicht nach § 4 Nr. 18 UStG steuerfrei, sondern steuerpflichtig mit dem ermäßigten Steuersatz i. H. v. 7% (gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG). Die Grundsätze des BMF-Schreibens gälten auch für zurückliegende Zeiträume; im Streitfall betrifft dies die Jahre 1996 - 1998. Im Hinblick auf die Streitjahre 1999 und 2000 seien korrigierte Vorsteuerbeträge bzw. – für das Jahr 2000 – korrigierte Nettoumsätze anzusetzen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht zur Umsatzsteuersonderprüfung vom 29.04.2002 verwiesen. Der Beklagte erließ entsprechend den Prüfungsfeststellungen jeweils unter dem 31.05.2002 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 2000.
Gegen diese Bescheide legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er geltend machte, für sämtliche Streitjahre seien die aus den Betreuungsleistungen erzielten Umsätze – entgegen der Behandlung durch den Beklagten – umsatzsteuerfrei. Nachdem der Einspruch ohne Erfolg geblieben ist (vgl. Einspruchsentscheidung vom 29.07.2002), hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor, die...