Umsatzsteuerbefreiung für Betreuungs- und Pflegeleistungen

Budgetassistenzleistungen auf dem Gebiet der Betreuung und Pflege, die von schwerbehinderten Klienten aus ihrem "persönlichen Budget" bezahlt werden, sind nicht umsatzsteuerfrei, da die gesetzlich vorgegebene Kostenübernahmequote für anerkannte Einrichtungen mit sozialem Charakter so nicht erreicht werden kann. Das entschied das FG Düsseldorf.

Folgender Sachverhalt wurde verhandelt: Die Beteiligten stritten darüber, ob die Budgetassistenzleistungen des Klägers an seine Klienten von der Umsatzsteuer befreit sind, soweit die Klienten sie aus ihrem "persönlichen Budget" (in den Streitjahren § 17 SGB IX; jetzt § 29 SGB IX) bezahlen. Der Kläger firmierte in den Streitjahren 2012–2015 unter "A-Gesellschaft", mit der er auch die Begleitung und Beratung von Menschen mit einer (Schwerst-) Behinderung im Bereich des Arbeitgebermodells "persönliches Budget" übernahm. Die Klienten zahlten die vom Kläger auf Grundlage des "Klienten-Vertrages" in Rechnung gestellten Beträge für die Budgetassistenzleistungen aus ihren eigenen Mitteln.

Budgetassistenzleistungen: Steuerfrei oder steuerpflichtig?

Für diese Budgetassistenzleistungen machte der Kläger die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG (bis 30.6.2013) bzw. Buchstabe § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG geltend. Seine Budgetassistenzleistungen seien solche mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundene Leistungen. Das Finanzamt hingegen beurteilte die Leistungen als umsatzsteuerpflichtig.

Keine Einrichtung mit sozialem Charakter

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG (mit Wirkung vom 1.7.2013: § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchstabe l UStG) werden nach Auffassung des Finanzgerichts nicht erfüllt. Der Kläger sei keine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter, weil er mit seinen Budgetassistenzumsätzen die gesetzlich vorgegebene Sozialgrenze, das heißt Kostenübernahme durch gesetzliche Träger der sozialen Sicherheit in 40 %, bzw. ab 1.7.2013 in 25 % der Fälle, in den Streitjahren nicht erreichte. Die Kosten wurden bei keinem Klienten von einem in der Steuerbefreiungsvorschrift genannten gesetzlichen Träger übernommen („vergütet“). In allen Fällen zahlten die Klienten die vom Kläger auf Grundlage des „Klienten-Vertrages“ fakturierten Beträge aus ihren eigenen Mitteln. Es liegt mithin auch kein Fall einer zur Steuerfreiheit führenden mittelbaren Kostentragung durch einen gesetzlichen Träger der sozialen Sicherheit vor.

Voraussetzung für Steuerbefreiung ist nicht gegeben

Die nationale Vorschrift des § 4 Nr. 16 UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtungen bewirkt werden. N

ach diesen Grundsätzen könnten die vom Kläger im Rahmen seines Unternehmens gegenüber den in der Regel körperlich hilfsbedürftigen Personen erbrachten Budgetassistenzleistungen zwar grundsätzlich von dem sachlichen Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 16 UStG erfasst sein. Dennoch scheitert die Anwendung der Befreiungsvorschrift bereits dem Grunde nach daran, dass das Unternehmen des Klägers nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen ist, weil die in den Streitjahren normierte Sozialgrenze nicht erreicht wird.

Neuregelung im JStG 2020

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 wurde § 4 Nr. 16 UStG zum 1.1.2021 unter anderem dergestalt geändert, dass ein neuer Buchstabe l aufgenommen wurde. Danach werden nunmehr ausdrücklich solche Einrichtungen als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt, mit denen eine Vereinbarung zur Pflegeberatung nach § 7a SGB XI besteht. Der bisherige Buchstabe l wurde zu Buchstabe m und hinsichtlich der Berücksichtigung der Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahres bei der Berechnung der sogenannten Sozialgrenze geändert (vgl. auch BMF, Schreiben v. 12.7.2023, III C 3 – S 7172/21/10003 :001). Die zwischenzeitlich vorgenommenen Änderungen des Umsatzsteueranwendungserlasses dürften auf die im Streitfall zu entscheidende Rechtsfrage keinen Einfluss haben.

Revision beim BFH

Das FG hat die Revision allerdings im Hinblick auf das beim V. Senat des BFH anhängige Verfahren, Az beim BFH V R 1/22 (vorgehend: Hessisches FG Urteil vom 20.10.2021 - 1 K 736/19) zugelassen. Diese wurde zwischenzeitlich durch den Steuerpflichtigen auch eingelegt, Az beim BFH XI R 1/23).

Das Hessische FG hat in seinem oben genannten Urteil entschieden, dass die Abhängigmachung der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG davon, ob bei der betreffenden Einrichtung die Betreuungskosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind, dem Grunde nach verfassungs- und unionsrechtskonform ist. Danach sind Leistungen aus dem persönlichen Budget nach § 29 SGB IX nicht in die Ermittlung der Sozialgrenze (25 %) einzubeziehen.

FG Düsseldorf Urteil vom 14.12.2022 - 5 K 2911/18 U


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