Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldbeitritt und Zahlung der Einfuhrabgaben durch Zolldienstleister – Rückzahlung zur Masse nach Insolvenzanfechtung – Wiederaufleben des Anspruchs gegenüber Abgabenschuldner
Leitsatz (redaktionell)
- Verpflichtet sich ein Zolldienstleister als Vertreter des Abgabenschuldners, Einfuhrabgaben, für die ihm Zahlungsaufschub gewährt worden ist, zum Fälligkeitstag für den Abgabenschuldner zu entrichten, ist dies als Schuldbeitritt und nicht als bloße Erfüllungsübernahme auszulegen.
- Die Rückzahlung der Einfuhrabgaben zur Masse nach Insolvenz des Zolldienstleisters führt zum Wiederaufleben des Anspruchs gegenüber dem Abgabenschuldner, wenn ein Anfechtungsanspruch gegenüber dem HZA rechtlich bestanden hat.
- Aufgrund des Schuldbeitritts ist das HZA als Insolvenzgläubiger im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO anzusehen.
Normenkette
InsO § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 144 Abs. 1; AO § 48 Abs. 2; BGB § 329; ZK Art. 224, 225 S. 1
Tatbestand
Das Hauptzollamt Z. bewilligte der A. GmbH & Co. KG (A. GmbH & Co. KG) mit Verfügungen vom 13. Juni 2006 einen Zahlungsaufschub für fremde Einfuhrabgaben mit Sicherheitsleistung sowie einen Zahlungsaufschub für fremde Einfuhrumsatzsteuer ohne Sicherheitsleistung. Das Hauptzollamt Z. nahm unter Nr. 10 der Bewilligungsverfügungen auf Verpflichtungserklärungen der A. GmbH & Co. KG Bezug, welche diese in ihren Anträgen auf Bewilligung des Zahlungsaufschubs vom 7. Juni 2006 jeweils unter 8. der Antragsformulare abgegeben hatte. Diese Verpflichtungserklärungen hatten folgenden Wortlaut:
„Jeder von mir abgegebene Aufschubantrag enthält meinen Antrag, die entstehende aufschiebbare Abgabenschuld des jeweils vertretenen Schuldners in Höhe der erstmaligen Berechnung auf mein Aufschubkonto anzuschreiben. Ich verpflichte mich damit unwiderruflich, die jeweils angeschriebenen Beträge spätestens zum Fälligkeitstage für den/die Abgabenschuldner zu entrichten. Mir ist bekannt, dass für die Rechtzeitigkeit der Zahlung der Eingang bei der Bundeskasse J. - Außenstelle E. - maßgebend ist. Bei verspäteter Zahlung werde ich Verzugszinsen gem. §§ 288, 286 BGB entrichten, die wie Säumniszuschläge gem. Art. 232 VO (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex) i.V.m. § 240 Abgabenordnung berechnet werden. Es ist mir bekannt, dass jeder von mir gestellte Aufschubantrag stets unter dem Vorbehalt angenommen wird, dass die von mir geleistete Sicherheit ausreicht und auch fremde Abgabenschulden sichert.“
Die A. GmbH & Co. KG leistete für die fremden Einfuhrabgabenschulden eine Sicherheit durch eine Bürgschaft über 10.000 €. Sie verfügte über zwei Aufschubkonten bei der Bundeskasse für Zölle (N01) und für Einfuhrumsatzsteuer (N02). Die während eines Kalendermonats von der Zollstelle buchmäßig erfassten und aufgeschobenen Abgabenbeträge waren jeweils spätestens am 16. des Folgemonats zu entrichten.
Mit Verfügung vom 12. April 2011 erhöhte das Hauptzollamt Z. die von der A. GmbH & Co. KG zu leistende Sicherheit für das Aufschubkonto N01 auf 100.000 €, welche diese durch die Beibringung einer Bürgschaft erbrachte.
Die A. GmbH & Co. KG wurde im August 2011 im Wege eines Formwechsels in die A. GmbH (A. GmbH) umgewandelt (Amtsgericht Z. HRA N03 und HRB N04). Die Aufschubkonten N01 und N02 wurden von der A. GmbH fortgeführt.
Die durch die A. GmbH vertretene Klägerin meldete in dem Zeitraum vom 12. November 2014 bis zum 18. Februar 2015 die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr an. Sie beantragte, für die entstandenen Einfuhrabgaben den der A. GmbH bewilligten Zahlungsaufschub in Anspruch nehmen zu dürfen. Die Zollstellen nahmen die Zollanmeldungen an und schrieben die entstandenen Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) auf dem Aufschubkonto der A. GmbH an. Die durch die Annahme der Anmeldungen entstandenen und hier noch streitigen Einfuhrabgaben betragen insgesamt 2.009,82 €. Im Einzelnen handelt sich um folgende Anmeldungen:
EUSt |
1.794,19 |
12.11.2014 |
658,56 |
N05 |
658,56 |
01.12.2014 |
672,18 |
N06 |
672,18 |
19.12.2014 |
463,45 |
N07 |
236,91 |
N08 |
226,54 |
Zoll |
215,63 |
19.12.2014 |
73,80 |
N07 |
32,01 |
N08 |
41,79 |
18.02.2015 |
141,83 |
N09 |
86,66 |
N10 |
55,17 |
Gesamtergebnis |
2.009,82 |
Die A. GmbH konnte die fälligen Beträge ab Januar 2015 nicht mehr fristgerecht entrichten. Mit Schreiben vom 7. und 30. Januar 2015 drohte das beklagte Hauptzollamt Zwangsmaßnahmen an, sperrte das Aufschubkonto und drohte den Widerruf der Bewilligung des Zahlungsaufschubs an.
Der Geschäftsführer der A. GmbH beantragte am 11. März 2015 beim Amtsgericht Z. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft. Das Amtsgericht Z. eröffnete am 1. Juni 2015 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der A. GmbH.
Der Insolvenzverwalter focht mit Schreiben vom 21. August 2017 die Zahlungen von Einfuhrzöllen und Einfuhrumsatzsteuer durch die A. GmbH an das beklagte Hauptzollamt in dem Zeitraum vom 16. Januar bis zum 19. März 2015 in Höhe von insgesamt 971.761,26 € nach den §§ 129 Ab...