Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungsmissbräuchliche Tilgung von Gesellschafterdarlehen aus Einlagen: Umgehung der Gewinnerhöhung durch Forderungsverzicht – Abgrenzung zu gesellschaftsrechtlich anerkannten „Hin- und Herzahlungen“. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: I R 11/22)
Leitsatz (redaktionell)
- Die lediglich buchhalterisch vollzogene Einlage in die Kapitalrücklage einer Kapitalgesellschaft zu dem Zweck der anschließenden Tilgung eines Darlehens der Alleingesellschafterin stellt einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar und ist daher wie ein – im Umfang des werthaltigen Anteils gewinnerhöhender - Forderungsverzicht zu behandeln.
- Die gesellschaftsrechtliche Anerkennung der Rückzahlung von Einlagen und Gesellschafternachschüssen in den in § 19 Abs. 5 und § 30 Abs. 2 GmbHG geregelten Fällen rechtfertigt nicht die steuerrechtliche Anerkennung jedweder Sachverhalte, in denen Geldmittel zwischen Gesellschaft und Gesellschafter „hin- und hergezahlt“ werden.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1 S. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 3, 5; AO § 42 Abs. 1-2; GmbHG § 19 Abs. 5, §§ 26, 30 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Einlage der Alleingesellschafterin in die Kapitalrücklage der Klägerin und die anschließende Begleichung von Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen durch die Klägerin gestaltungsmissbräuchlich war und als den Gewinn der Klägerin erhöhender Forderungsverzicht zu behandeln ist.
Die Klägerin ist eine nach dem Recht Panamas gegründete Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer S.A. (Sociedad Anonima) mit Ort der Geschäftsleitung in Deutschland. Sie war im Streitjahr 2011 dem A -Konzern zugehörig. Alleingesellschafterin der Klägerin war im Streitjahr die B AG. Die Klägerin war seit dem Jahr 2005 in der ...B aufinanzierung tätig. Im Jahr 2010 wurden die letzten von der Klägerin finanzierten … ausgeliefert und die Finanzierungen bis in das Folgejahr hinein abgerechnet. Seitdem unterhielt sie keinen aktiven Geschäftsbetrieb mehr und neue Finanzierungen aufgrund neuer Aufträge wurden nicht durchgeführt. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn nach Betriebsvermögensvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).
Für die Klägerin wurde ebenso wie für andere Konzerngesellschaften bei der B AG ein Verrechnungskonto im Rahmen des konzernweiten sog. Intercompany Accounting System („ICA“) des A -Konzerns geführt. Die ICA-Konten dienten den Konzerngesellschaften als Mittel der konzerninternen Finanzmittelanlage und Finanzmittelaufnahme und der buchhalterischen Abbildung aller konzerninternen Verrechnungen und Finanzierungen. Über die Konten wurden sämtliche Kapitalüberhänge aus dem Zahlungsverkehr und den konzerninternen Leistungsbeziehungen als darlehensweise Forderungen oder Verbindlichkeiten gegenüber der jeweiligen Konzerngesellschaft bei der B AG gebucht. Soll- und Habensalden auf den bei der B AG geführten ICA-Konten wurden marktgerecht verzinst. Die Konzerngesellschaften waren verpflichtet, in ihrer eigenen Buchhaltung ebenfalls Konten für die Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der B AG aus den konzerninternen Verrechnungen und Finanzierungen einzurichten und die Buchungen darauf spiegelbildlich zu den Buchungen auf den bei der B AG geführten ICA-Konten vorzunehmen. Darüber hinaus konnten die Konzerngesellschaften über das sogenannte Cash-Pooling-Verfahren zusätzliche Liquidität von der B AG erhalten oder umgekehrt überschüssige Liquidität an diese übertragen.
Der Jahresabschluss der Klägerin wies zum 31.12.2010 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 15.266.958 Euro aus; die Aktiva bestanden aus Forderungen mit einem bilanzierten Wert von 918.748 Euro. Bis zum 28.12.2011 bestand gegenüber der Alleingesellschafterin eine Verbindlichkeit i.H.v. 12.647.272,54 Euro aus einem unverzinslichen Darlehen, das der Klägerin ursprünglich bereits in den 1980er-Jahren gewährt worden war. Zur Abwendung der bilanziellen Überschuldung durch diese Verbindlichkeit wurden durch die Alleingesellschafterin mehrfach Rangrücktrittserklärungen abgegeben, wonach eine Befriedigung nur verlangt werden durfte, wenn dies aus zukünftigen Gewinnen, aus einem Liquidationsüberschuss oder aus anderem freien Vermögen der Klägerin möglich ist. Das bei der Alleingesellschafterin für die Klägerin geführte ICA-Konto wies zudem zum 28.12.2011 einen Negativsaldo von 4.723.899 Euro („ICA-Forderung“) zulasten der Klägerin auf, der spiegelbildlich dem Saldo des bei der Klägerin geführten ICA-Kontos entsprach.
Bei der Alleingesellschafterin waren die Forderung aus dem unverzinslichen Gesellschafterdarlehen auf 0 Euro und die ICA-Forderung auf 2.265.689 Euro abgeschrieben.
Bei einem Treffen des „Board of Directors“ der Klägerin wurde am 27.12.2011 festgehalten, dass die Klägerin Liquidität benötige, um ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Alleingesellschafterin zu begleichen, und dass deshalb die Allein...