Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachlich selbständige Gewerbebetriebe eines Unternehmers: Betrieb mehrerer Tankstellen – Rechtlich selbständige Pachtverträge – Gründung beteiligungsidentischer atypisch stiller Gesellschaften
Leitsatz (redaktionell)
Bei zwei für Rechnung beteiligungsidentischer atypisch stiller Gesellschaften eines Unternehmers für denselben Franchisegeber auf der Grundlage rechtlich selbständiger Pachtverträge betriebenen Tankstellen handelt sich um Betriebsteile eines einheitlichen Gewerbebetriebs i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG, wenn diese Betriebsteile zwar finanziell unabhängig geführt werden, aber aufgrund der Gleichartigkeit der Betätigungen, ihrer räumlichen Nähe (600 m), der Identität der Warenlieferanten und der gegenseitigen Unterstützung bei Waren- und Personalengpässen in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht in nicht nur unwesentlicher Bedeutung zusammenhängen (Abgrenzung zu den BFH-Urteilen vom 9. August 1989 X R 62/87, BStBl II 1989, 973, und vom 25. April 1989 VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261).
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1 S. 1, § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
Streitjahr(e)
2014
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Erhebungszeitraum 2014 (Streitjahr) Inhaber eines oder zweier Gewerbebetriebe i. S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) war.
Der Kläger übernahm durch einen Tankstellenunternehmervertrag vom 17. Januar 2008 mit Wirkung ab dem 31. Januar 2008 die Lagerung und den Verkauf der von der B GmbH unter der Marke „C“ zur Verfügung gestellten Kraft- und Schmierstoffe auf dem Gelände der Tankstelle D Straße 100 (Tankstellen-Nr. 0001). Er verpflichtete sich, den für das Agenturgeschäft örtlich relevanten Markt, insbesondere Wettbewerberpreise, nach Weisung der B GmbH kontinuierlich zu beobachten und B GmbH diese unverzüglich und zu den vorgegebenen Zeiten zu melden (§ 3 Nr. 1 des Vertrags). Nach § 8 Nr. 1 des Vertrags war der Kläger verpflichtet, seinen gesamten Bedarf an Waren, die er - anders als die im Kommissionsgeschäft verkauften Kraft- und Schmierstoffe (§ 2 Nr. 1 des Vertrags) - nach § 2 Nr. 6 des Vertrags im Eigengeschäft verkaufen durfte (Tabakwaren, Lebensmittel, Kfz-Zubehör, Telefonkarten), ausschließlich bei B GmbH zu beziehen, sofern B GmbH diese Artikel in ihrem Sortiment führte. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vertrag nebst Anlagen Bezug genommen (Anlage K IV zum Schriftsatz vom 10. März 2017). Der Kläger meldete den Betrieb dieser Tankstelle am 23. Januar 2008 bei der Stadt Z-Stadt an. Dabei bezeichnete er diese Tankstelle als unselbständige Zweigstelle und die C-Tankstelle an der D Straße 200 als Hauptniederlassung.
Durch einen weiteren Tankstellenunternehmervertrag vom 17. April 2008, der inhaltlich mit dem Vertrag vom 17. Januar 2008 übereinstimmt, übernahm der Kläger ab dem 29. April 2008 auch die Lagerung und den Verkauf der von B GmbH zur Verfügung gestellten Kraft- und Schmierstoffe auf dem Gelände der Tankstelle D Straße 200 (Tankstellen-Nr. 0002; vgl. Anlage K III zum Schriftsatz vom 10. März 2017). Beide Tankstellen sind ca. 600 m voneinander entfernt. Den Betrieb der Tankstelle an der D Straße 200 meldete der Kläger am 29. April 2008 bei der Z Stadt an. Darin bezeichnete er abweichend von der Anmeldung vom 23. Januar 2008 nunmehr auch die Tankstelle an der D Straße 200 als unselbständige Zweigstelle und als Hauptniederlassung die ebenfalls von ihm geführte Tankstelle an der E Straße 300 in YStadt. Bei der IHK Mittlerer Niederrhein wurden diese drei Tankstellen entsprechend den Angaben des Klägers unter einer Mitgliedsnummer als drei Betriebsstätten geführt (BP-Handakten zur St.-Nr. 000/000/001, Fach „IHK-Mitgliedschaft“). Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland hatte für die Tankstellen jeweils gesonderte Betriebsnummern erteilt (BP-Handakten zur St.-Nr. 000/000/001, Fach „Prüfung Sozialversicherung“).
Der Kläger richtete für den Betrieb der Tankstellen an der D Straße 100 und 200 bei der Bank verschiedene Konten ein (D Straße 100: 00000001; D Straße 200: 00000002). Sowohl die vom Kläger im Namen der C Tankstellen Deutschland GmbH (C D) als Rechtsnachfolgerin der B GmbH aus Gutscheinverkäufen vereinnahmten, von der F GmbH abzurechnenden Beträge als auch die von der C D selbst abzurechnenden Beträge wurden für jede Tankstelle unter gesonderten Kundennummern abgerechnet (vgl. BP-Handakten zur St.Nr. 000/000/0001 [D Straße 100] und 000/000/0002 [D Straße 200], jeweils Fach „Muster Bank“ bzw. „Bank 00000002“). Der Kläger, der seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte, erstellte für jede der Tankstellen an der D Straße eigene Jahresabschlüsse und Gewinnermittlungen. Auch die Lohnbuchhaltung erfolgte für jede Tankstelle gesondert (vgl. BP-Handakten zur St.-Nr. 000/000/0002, Fach „Buchungsliste Löhne“ und Fächer „Prüfung Sozialversicherung“ und „Lohnjournale D Straße 200“). Durch Kaufvertrag vom 27. Februar 2009 erwarb der Kläger für Marktbeobachtungsfahrten und Fa...