vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung der Erbenhaftung bei Nachlassinsolvenz. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VII R 38/23)
Leitsatz (redaktionell)
- Verbindlichkeiten aus der Verwaltung des Nachlasses, die ohne Zutun und Abwendungsmöglichkeit des Erben entstehen, gehören als Nachlassverwaltungsschulden zu den Nachlassverbindlichkeiten, wegen der im Nachlassinsolvenzverfahren eine Vollstreckung in das Eigenvermögen des Erben nicht mehr zulässig ist.
- Wird eine Betriebsaufspaltung zwischen einer KG und der das Betriebsgrundstück vermietenden Besitz-GbR auf den – zeitnah nach Eintritt des Erbfalls gestellten - Antrag der als Geschäftsführer der KG fungierenden Erben durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Betriebsgesellschaft beendet, ist die Einkommensteuer auf den auf der Ebene der GbR anfallenden Aufgabegewinn als Nachlassverwaltungsschuld zu qualifizieren.
Normenkette
AO § 45 Abs. 2 S. 1; BGB § 1967 Abs. 1-2, § 1975; EStG § 16 Abs. 3; InsO § 15a Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Umfang der Beschränkung der Zwangsvollstreckung auf den Nachlass gemäß § 45 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 1975 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Der Kläger und sein Bruder R. E. sind zu gleichen Teilen Erben ihres am 29.05.2012 verstorbenen Vaters X. E. (im Folgenden Erblasser genannt).
Der Erblasser war als Kommanditist mit einem Gesellschaftsanteil von 90 % Mehrheitsgesellschafter der M. GmbH & Co KG (im Folgenden kurz KG genannt) und zugleich geschäftsführender Gesellschafter der Komplementärin (O. GmbH). Am 29.02.2012 wurden der Kläger und sein Bruder ebenfalls zu Geschäftsführern der GmbH bestellt. Nach § 14 des Gesellschaftsvertrags der KG bzw. § 11 des Gesellschaftsvertrags der GmbH führte der Tod eines Gesellschafters nicht zur Auflösung der jeweiligen Gesellschaft. Es wurde bestimmt, dass der Gesellschaftsanteil an bestimmte Personen - darunter leibliche Abkömmlinge - vererbbar ist und diese ihrerseits Gesellschafter werden.
Zudem waren der Erblasser (zu 80%) und dessen Schwägerin I. (zu 20 %) Miteigentümer von zwei Grundstücken, welche sie - handelnd als E. H. GbR - an die KG vermieteten. Der Vorgang wurde seit dem Veranlagungszeitraum 1999 als Betriebsaufspaltung erklärt und behandelt. Der Miteigentumsanteil des Erblassers an den vorgenannten Grundstücken ging mit dem Erbfall auf die aus dem Kläger und seinem Bruder bestehende Erbengemeinschaft über. Die Grundstücke wurden auch über den Tod des Erblassers hinaus von der KG zu betrieblichen Zwecken genutzt.
Am 13.07.2012 stellte der Kläger einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass. Das Amtsgericht W. holte mit Beschluss vom 19.07.2012 zunächst ein Gutachten ein, bestellte mit Beschluss vom 01.08.2012 einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 der Insolvenzordnung - InsO -) und eröffnete mit Beschluss vom 26.10.2012 - 00 IN 01/12 schließlich das Insolvenzverfahren über den Nachlass.
Zudem stellten der Kläger und sein Bruder am 13.07.2012 in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH und der KG. Anträge, im Handelsregister (Amtsgericht W., HRA N02) als Kommanditisten eingetragen zu werden, stellten sie nicht. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG wurde mit Beschluss des Amtsgerichts W. vom 01.09.2012 - 00 IN 02/12 eröffnet. Zuvor war am 25.07.2012 ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) bestellt worden.
Der Beklagte, der auch für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus der E. H. GbR zuständig ist, kam zu dem Schluss, dass die Besitzgesellschaft über den Tod des Erblassers hinaus fortgeführt worden sei, jedoch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG die personelle Verflechtung zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen entfallen sei. Aufgrund der hierdurch ausgelösten Betriebsaufgabe seien die stillen Reserven zum 01.09.2012 aufzudecken. Der Beklagte nahm dies zum Anlass, mit Feststellungsbescheid 2012 vom 21.12.2016 für die E. H. GbR [StNr N04] einen Veräußerungsgewinn (Aufgabegewinn) i.H.v. 1.213.162,41 € gesondert und einheitlich festzustellen und davon dem Kläger und seinem Bruder - neben laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb i.H.v. -10.461 € - jeweils einen Anteil i.H.v. 498.449,10 € zuzurechnen. Dem hiergegen eingelegten Einspruch wurde mit Änderungsbescheid vom 14.03.2017 dahingehend entsprochen, dass der Aufgabegewinn auf 357.139,92 € herabgesetzt wurde und dem Kläger und seinem Bruder hiervon jeweils 156.040,10 € zugerechnet wurden.
Die Einkommensteuer für das Streitjahr 2012 wurde mit Bescheid vom 08.02.2017 zunächst im Schätzwege gegenüber dem Kläger festgesetzt. Im anschließenden Einspruchsverfahren erging am 18.04.2017 ein Änderungsbescheid, ...