Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen auf Überentnahmen – Verfassungsmäßigkeit des typisierten Zinssatzes
Leitsatz (redaktionell)
Der typisierte Zinssatz von 6 v.H., mit dem die auf Überentnahmen entfallenden nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG zu ermitteln sind, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4a S. 3
Streitjahr(e)
2013, 2014, 2015, 2016
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Zinssatzes gemäß § 4 Abs. 4a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes -EStG-.
Die Klägerin ist eine OHG, an der G. W. und der Beigeladene beteiligt sind.
Am 21.12.2018 erließ der Beklagte für die Klägerin betreffend die Streitjahre 2013 -2016 geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheide), in denen u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt wurden. In den Bescheiden wurden in dem Gesamthandvermögen der Klägerin Hinzurechnungen wegen nicht abziehbarer Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG vorgenommen. Solche Hinzurechnungen erfolgten auch für das Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen.
Am 08.01.2019 ergingen zudem geänderte Gewerbesteuermessbescheide für 2013 -2016 sowie ein geänderter Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2016 für die Klägerin.
In dem Einspruchs- und Klageverfahren wandte sich die Klägerin mit verfassungsrechtlichen Einwänden gegen die Höhe der Hinzurechnungen. Sie begehrte, den Hinzurechnungen einen Prozentsatz von 2,9 % statt des gesetzlich vorgesehenen Satzes von 6 % zugrunde zu legen. Hier gälten die gleichen Bedenken wie gegen den Zinssatz in § 238 der Abgabenordnung -AO-. In den Streitjahren, während anhaltender Niedrigzinsphase, habe der typisierte Zinssatz keinen Bezug mehr zum langfristigen Marktzinsniveau; der angemessene Rahmen einer wirtschaftlichen Realität sei erheblich überschritten.
Der Senat hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31.05.2019 als unbegründet abgewiesen.
Im Rahmen des Revisionsverfahrens beim Bundesfinanzhofs -BFH- IV R 19/19 hat der Senat nach Nachholung der Beiladung mit Gerichtsbescheid vom 01.12.2022 die Klage erneut abgewiesen, nachdem er zudem die einfachgesetzlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 4a EStG geklärt hatte. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes habe der Senat weiterhin nicht, zumal die Typisierung der Vereinfachung diene und zudem der Steuerpflichtige die Verzinsung durch eine abweichende Gestaltung vermeiden könne. Zwischenzeitlich habe das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- mit Beschluss vom 08.07.2021 (1 BvR 2237/14 und 2422/17, Bundesgesetzblatt -BGBl- 2021,4303) die Weitergeltung der Vollverzinsung nach §§ 233a, 238 AO (0,5 % monatlich) bis 2018 angeordnet (vorliegende Streitjahre: 2013 - 2016).
Die Klägerin hat gegen den Gerichtsbescheid sowohl die - dort zugelassene - Revision eingelegt als auch einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Der BFH hat das Revisionsverfahren in seinen Registern gelöscht und auf die nunmehr vom Finanzgericht -FG- durchzuführende mündliche Verhandlung verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2013 - 2016 mit Bescheiden vom 21.12.2018, die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2013 - 2016 und die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2016, jeweils vom 08.01.2019, sowie die Einspruchsentscheidung vom 26.03.2019 dahin zu ändern, dass den Hinzurechnungen gemäß § 4 Abs. 4a EStG ein Zinssatz von 2,9 % zugrunde gelegt wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor: Dem Klagevortrag könne er hinsichtlich sowohl der betrieblichen Veranlassung der Schuldzinsen als auch der ermittelten Überentnahmen folgen; der Sachverhalt sei unstreitig. Nach diesem Zahlenmaterial führe die Berücksichtigung der kumulierten Entnahmen und des jeweiligen kumulierten Entnahmeüberschusses auch bei Anwendung der neueren BFH-Rechtsprechung (Urteile vom 14.03.2018 - X R 17/16 bzw. vom 06.12.2018 - IV R 15/17) zu keiner Änderung der in den streitbefangenen Bescheiden hinzugerechneten Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG. Bei dem Zinssatz handele es sich um eine vom Gesetzgeber festgelegte und auch zulässige Typisierung, die der aktuellen Rechtslage entspreche; die anhängigen Verfahren betr. § 238 AO seien hier nicht übertragbar. Der zwischenzeitlich ergangene Beschluss des BVerfG vom 08.07.2021 - l BvR 2237/14, l BvR 2422/17 über die Verfassungsbeschwerden betreffend die Vollverzinsung nach den §§ 233a, 238 Abs. 1 AO bestätige im Ergebnis die hier angewandten Grundsätze. Wegen der Einzelheiten des Beklagtenvorbringens wird auf insbesondere auf dessen Schriftsatz vom 02.11.2022 Bezug genommen.
Der Beigeladene hat weder eine Stellungnahme abgegeben noch einen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der be...