Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungsverjährung: Unterbrechung der Außenprüfung unmittelbar nach Beginn – Verzögerung der Auswertung angeforderter Kontounterlagen nach Selbstanzeige – Erhebliches Gewicht der Prüfungshandlungen vor Unterbrechung – Verjährungshemmung nach Zurückweisung eines Einspruchs durch Allgemeinverfügung
Leitsatz (redaktionell)
- Wird eine aufgrund einer Selbstanzeige eingeleitete Steuerfahndungsprüfung zunächst mit der Anforderung von Kontounterlagen begonnen und sodann über einen Zeitraum von vier Monaten bis zur Vorlage ergänzender Unterlagen fortgesetzt, liegt in der um mehr als 2 Jahre verzögerten Auswertung der Unterlagen keine die Hemmung der Festsetzungsverjährung ausschließende Unterbrechung der Außenprüfung unmittelbar nach Beginn.
- Den bis zur Unterbrechung vorgenommenen Prüfungshandlungen ist, gemessen an dem Umfang der gesamten Prüfung, das erforderliche erhebliche Gewicht zuzumessen, wenn die erforderlichen Unterlagen sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Besitz der Fahndungsprüfung befinden, so dass der Sachverhalt keiner weiteren Ermittlung mehr bedarf, sondern lediglich noch eine Auswertung der Unterlagen aussteht.
- Die Verjährungsfrist wird nicht schon wegen eines die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen betreffenden Einspruchs in ihrem Ablauf dauerhaft gehemmt, wenn dieser Einspruch durch eine Allgemeinverfügung i.S.d. § 367 Abs. 2 b Satz 1 AO „insoweit zurückgewiesen” und damit das Einspruchsverfahren beendet wird (vgl. dazu aber auch: Seer in Tipke/Kruse, AO, § 367 Rz. 69, und Rätke in Klein, AO, § 367 Rz. 45).
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 171 Abs. 3a, 4 S. 2, Abs. 5 S. 1, § 367 Abs. 2 b S. 1, § 371 Abs. 1 S. 1; FGO § 99 Abs. 2
Streitjahr(e)
1999, 2000
Tatbestand
Die Kläger sind für die Streitjahre 1999 und 2000 zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Die angefochtenen Steuerbescheide vom 15.1.2014 beruhen auf einer Selbstanzeige und den Ergebnissen einer Steuerfahndungsprüfung (Prüfungsbericht vom 26.8.2013).
Streitig ist, ob die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 in festsetzungsverjährter Zeit ergangen sind und ggf. wie die Besteuerung von Erträgen aus sogenannten „schwarzen” intransparenten Fonds, an denen die Kläger beteiligt waren, zu erfolgen hat.
Die Steuererklärungen wurden für den Veranlagungszeitraum 1999 in 2001 und für 2000 in 2002 abgegeben. Steuerbescheide wurden sodann am 30.4.2001, 19.2.2002, 21.8.2002 und am 16.5.2003 erteilt. Die Steuer wurde schließlich nach einer Betriebsprüfung mit geänderten Bescheiden vom 17. und 19.8.2005 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung festgesetzt. Die dagegen eingelegten Einsprüche wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen wurden zunächst (antragsgemäß) ruhend gestellt. Das Ruhen und die Einspruchsverfahren wurden durch Allgemeinverfügung (§ 367 Abs. 2 b der Abgabenordnung –AO-) vom 22.7.2008 beendet.
Am 7.2.2010 erstatteten die Kläger eine Selbstanzeige gem. § 371 AO. Sie erklärten bis dahin steuerlich nicht erfasste Einkünfte aus Kapitaldepots bei der (). Am 23.4.2010 wurde deshalb ein Strafverfahren wegen der Veranlagungszeiträume 2004 bis 2007 eingeleitet und am 5.5.2010 ein Prüfungsauftrag an die Steuerfahndung erteilt: Die Steuerfahndung forderte noch am gleichen Tage bei den Klägern binnen einer Frist von vier Wochen Unterlagen über die Depots bzw. Konten bei den beiden Banken betreffend die Jahre ab 1999 an. Am 17.6.2010 wurden daraufhin der Fahndungsprüferin drei Ordner mit Unterlagen übergeben. Bei der Übergabe wurden die Unterlagen in einem ca. 45 Minuten währenden Gespräch erläutert. Die Prüferin wies darauf hin, dass noch weitere Unterlagen bezüglich der sog. schwarzen Fonds erforderlich seien. Diesbezüglich wurde dann am 17.8.2010 ein vierter Ordner beigebracht und der Prüferin übergeben. In der Folgezeit erfolgten keine nach außen erkennbaren Prüfungshandlungen der Fahndungsprüferin. Am 17.6.2011 erkundigte sich der Bevollmächtigte der Kläger telefonisch nach dem Bearbeitungsstand. Ihm wurde mitgeteilt, dass auf Grund zahlreicher großer Steuerfahndungsfälle noch keine Bearbeitung der Unterlagen der Kläger habe stattfinden können. Eine weitere telefonische Nachfrage am 13.4.2012 führte zu der Auskunft, dass die Bearbeiterin noch nicht zur Bearbeitung gekommen sei. Am 19.8.2013 teilte die Fahndungsprüferin telefonisch mit, dass sie die Unterlagen ausgewertet habe und noch zu einem weiteren Depot Angaben benötige. Ihr wurde mitgeteilt, dass dieses Depot der Mutter der Klägerin gehört habe.
Schließlich ergingen auf Grundlage des Prüfungsberichts vom 26.8.2013 am 15.1.2014 gestützt auf § 173 AO die geänderten und angefochtenen Einkommensteuerbescheide.
Der dagegen eingelegte Einspruch blieb weitgehend ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12.8.2016). Die Kläger hatten im Einspruchsverfahren die Verletzung der Festsetzungsverjährung gerügt und hilfsweise d...