Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuer, Anlaufhemmung bei fehlender Kenntnis von dem Erwerb, Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments, rechtskräftige Klärung im Erbscheinverfahren. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 28/22)
Leitsatz (redaktionell)
Die Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuer aufgrund fehlender Kenntnis von dem Erwerb endet bei Bestehen ernstlicher, auf objektiv erkennbare Umstände gestützter Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über die Erteilung des Erbscheins.
Normenkette
AO § 170 Abs. 5 Nr. 1
Tatbestand
Am 30.11.1988 verstarb die kinderlose und unverheiratete A , die Erblasserin. Der Kläger und seine Schwester, die Kinder einer vorverstorbenen Schwester der Erblasserin, beantragten nach dem Tod der Erblasserin beim Nachlassgericht einen Erbschein, nach dem sie auf Grund gesetzlicher Erbfolge zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt worden sein sollten. Am 05.01.1989 erteilte das Amtsgericht Z-Stadt den Erbschein.
Am 29.09.1989 wurde beim seinerzeit zuständigen Finanzamt Y-Stadt (FA) die vom Kläger angeforderte Erbschaftsteuererklärung eingereicht, die er und seine Schwester unterschrieben hatten. Am 17.11.1989 ergingen gegenüber dem Kläger und seiner Schwester Erbschaftsteuerbescheide, denen die Besteuerung eines Erbanteils in Höhe von 551.336 DM und hinsichtlich des Klägers eines weiteren sonstigen Erwerbs in Höhe von 200.560 DM zugrunde gelegt wurden. Dagegen legten der Kläger und seine Schwester Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung, die das FA hinsichtlich eines Teilbetrags auch gewährte.
Da die Erblasserin auch Mitglied einer Erbengemeinschaft nach den vorverstorbenen Eltern des Klägers und seiner Schwester gewesen war, musste deren Wert auch für die Festsetzung der Erbschaftsteuer nach der Erblasserin berücksichtigt werden. Hierzu fertigte der Kläger eine erneute Erbschaftsteuererklärung an, die auch von seiner Schwester unterschrieben wurde und am 15.02.1994 beim FA einging.
Mit Bescheid vom 10.03.1994 setzte das FA gegenüber dem Kläger die Erbschaftsteuer für seinen Erwerb nach der Erblasserin auf 208.650 DM fest, wobei es von einem Erbanteil in Höhe von 541.771 DM und sonstigen Erwerben in Höhe von 200.560 DM ausging. Mit dem dann ergangenen Erbschaftsteuerbescheid vom 05.07.1994 hob es den zuvor bestimmten Vorbehalt der Nachprüfung auf und gab an, dass eine nochmalige Überprüfung nicht zu abweichenden Festsetzungen und Feststellungen geführt habe. Dieser Bescheid wurde nicht angefochten.
Nach der Erteilung des Erbscheins fand der Kläger ein Testament der Erblasserin vom 21.06.1983, in dem sie den Kläger und seine Schwester zu gleichen Teilen zu ihren Erben einsetzte. Das Testament reichten weder der Kläger noch seine Schwester beim Nachlassgericht ein.
Im März 1999 schloss der Kläger mit seiner Schwester einen notariellen Teilerbauseinandersetzungs- und Übertragungsvertrag ab, nach dem der Kläger Eigentümer von drei bestimmten Grundstücken werden sollte, wohingegen seine Schwester Eigentümerin von vier anderen Grundstücken werden sollte. Zugleich räumten sich die Beteiligten wechselseitig ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle ein. Zudem zahlte die Schwester an den Kläger einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 144.344,28 DM.
Im Mai 2003 reichte der Kläger ein weiteres, von ihm aufgefundenes Testament der Erblasserin vom 11.08.1988 beim Nachlassgericht ein, in dem er allein zum Erben eingesetzt worden war. Lediglich ein Grundstück, das der Erblasserin nur zur Hälfte gehörte, sollte seiner Schwester zur Hälfte zustehen. Nach der Eröffnung des Testaments beantragte der Kläger die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben nach der Erblasserin auswies. Obwohl seine Schwester dem widersprach und vortrug, die Erblasserin sei bei Errichtung des Testaments vom 11.08.1988 testierunfähig gewesen, kündigte das Nachlassgericht nach Ermittlungen mit Vorbescheid vom 27.09.2007 an, dem Antrag des Klägers auf Einziehung und Neuerteilung des Erbscheins entsprechen zu wollen. Dagegen legte seine Schwester Beschwerde ein, die das Landgericht zurückwies: Für eine Testtierunfähigkeit der Erblasserin bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Nach durchgeführten Ermittlungen gebe es keine sicheren Erkenntnisse, dass die Erblasserin bei Abfassung dieses Testaments aufgrund ihrer körperlichen und geistigen Verfassung nicht in der Lage gewesen sei, Sinn und Tragweite ihrer Verfügung zu erkennen. Die dagegen von der Schwester eingelegte weitere Beschwerde wies das Oberlandesgericht X-Stadt mit Beschluss vom 03.02.2009 zurück, da die Entscheidung des Landgerichts Rechtsfehler nicht erkennen lasse. Am 07.10.2009 erließ das Nachlassgericht einen Erbschein, nach dem die Erblasserin vom Kläger allein beerbt worden ist.
Mit Schreiben vom 26.07.2010 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er beabsichtige, einen neuen Erbschaftsteuerbescheid zu erlassen, in dem er d...