Entscheidungsstichwort (Thema)

Zoll- und Verbrauchsteuerrecht: Zollanmelder als Schuldner von Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer, wenn sich in einer angemeldeten Tarnladung Tabak befindet

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine angemeldete Ware aus dem seinerzeitigen Hamburger Freihafen unter Überführung in den freien Verkehr herausbefördert und befindet sich in der angemeldeten Ware versteckt Tabak, bezieht sich die Gestellung lediglich auf die angemeldete Ware selbst und nicht auf den ebenfalls enthaltenen Tabak. Dieser wird dann im Sinne von Art. 202 Abs. 1 Zollkodex vorschriftswidrig verbracht.

2. Eine juristische Person, die die Ware angemeldet und den Auftrag zu ihrer Beförderung an eine Spedition erteilt hat, hat den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen gesetzt und ist Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 Zollkodex.

3. Wurde der Anmelder von einer Firma bevollmächtigt, die tatsächlich nicht existiert, ist er als Vertreter ohne Vertretungsmacht im Sinne von Art. 5 Abs. 4 Zollkodex anzusehen.

4. Ein Erlöschen der Zollschuld nach Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex scheidet aus, wenn die Beschlagnahme erfolgt ist, nachdem die Waren bereits verbracht worden waren, wenn sie also den Ort, an dem sie hätten gestellt werden müssen, wieder verlassen haben, ohne dass eine ordnungsgemäße Gestellung erfolgt ist.

5. Die Inanspruchnahme des Anmelders vor dem Fahrer des LKWs, der die Ware tatsächlich befördert hat, ist, wenn dies mit fiskalischen Erwägungen und der Finanzkraft des Anmelders begründet wird, ermessensfehlerfrei, Art. 213 Zollkodex.

6. Die obigen Erwägungen gelten entsprechend für die Entstehung der Tabaksteuer (§§ 21 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 1 Nr. 2, 19 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) TabStG) und die Steuerschuldnerschaft (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 TabStG).

 

Normenkette

ZK Art. 202 Abs. 1, 3 Anstrich 1, Art. 5 Abs. 4, Art. 233 S. 1 lit. d, Art. 213; TabStG § 21 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 lit. c), § 21 Abs. 2 Nr. 1

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Erhebung von Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer.

Am 08.05.2012 meldete die Antragstellerin als Vertreterin einer Firma A, ..., B, im ATLAS-Verfahren zwei Dampfkessel aus China zu Überführung in den freien Verkehr an. Die Dampfkessel waren mit dem Seeschiff "C" im Hamburger Hafen eingetroffen. Die Abfertigung erfolgte entsprechend der Anmeldung. Die Dampfkessel wurden sodann am 15.05.2012 durch den Kraftfahrer D, Mitarbeiter der von der Antragstellerin beauftragten Firma E GbR, auf das Gelände der Firma F GmbH verbracht. Am 30.05.2012 untersuchten Beamte des Zollfahndungsamts Hamburg aufgrund eines Hinweises eines britischen Verbindungsbeamten die Wasserkessel und stellten im Inneren der Kessel 1099 kg Feinschnitt-Tabak fest. Der Tabak wurde sichergestellt.

Im Rahmen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde festgestellt, dass eine Firma A, ..., B, mutmaßlich nur auf dem Papier besteht.

Mit Bescheid vom 03.07.2014 setzte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin Tabaksteuer i. H. v. 82.479,95 € und Einfuhrumsatzsteuer i. H. v. 21.342,21 € fest. Wegen Art. 867a ZK-DVO erhob der Antragsgegner keinen Zoll.

Mit Schreiben vom 07.07.2014 legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte den Erlass der Abgaben sowie die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führte sie aus, sie sei ein Opfer ihr nicht zurechenbarer betrügerischer Handlungen Dritter geworden.

Mit Bescheid vom 10.07.2014 setzte der Antragsgegner die Vollziehung des Bescheides vom 03.07.2014 unter der aufschiebenden Bedingung einer bis zum 07.08.2014 beizubringenden Sicherheitsleistung in Höhe des Abgabenbetrages für die "Verfahrensstufe außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren" aus. Dies erfolgte mit der Begründung, dass im Bescheid vom 03.07.2014 Ausführungen dazu gefehlt hätten, durch welches Verhalten die Antragstellerin den Grund für das vorschriftswidrige Verbringen der Tabakwaren gesetzt habe und weshalb von der Inanspruchnahme des Fahrers Abstand genommen worden sei.

Den Einspruch gegen den Bescheid vom 03.07.2014 wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 03.06.2015 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Zollschuld sei gemäß Art. 202 Abs. 1 lit. b) Zollkodex i. V. m. §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UStG entstanden. Die Dampfkessel seien gestellt worden, nicht jedoch der Tabak, so dass dieser vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden sei. Auf Verschulden komme es nicht an. Die Antragstellerin habe nicht über eine wirksame Vertretungsmacht gemäß Art. 5 Zollkodex für die Firma A, ..., B, verfügt, da diese nicht existiere, so dass sie nach Art. 5 Abs. 4 Zollkodex im eigenen Namen und in eigener Verantwortung gehandelt habe. Unmittelbaren Kontakt zum Anmelder habe sie nicht gehabt, den Verzollungsauftrag habe sie von der Firma G Ltd. in China erhalten. Ob tatsächlich eine Bevollmächtigung vorgelegen habe, habe sie ebenso wie andere im Rahmen der Anmeldung zu machende Angaben nicht überprüft. Die Antragstellerin sei neb...

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