Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht, Tarifierung: Einreihung von Instantnudeln; Gültigkeit einer Einreihungsverordnung und Erläuterungen zur KN. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim EuGH: C-593/17
Leitsatz (amtlich)
Vorlagefragen:
1. Ist die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 der Kommission vom 11.07.2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. EU L 209/12) gültig?
2. Falls die erste Frage verneint werden sollte:
Ist die Erläuterung der Europäischen Kommission zur Unterposition 1902 3010 der Kombinierten Nomenklatur, die am 04.03.2015 veröffentlicht wurde (ABl. EU C 76/1), bei der Auslegung der Unterposition 1902 3010 KN zu berücksichtigen, soweit darin das Frittieren als Beispiel für ein industrielles Trocknungsverfahren genannt wird? Anschlussentscheidung zum Vorlagebeschluss vom 19.07.2017, 4 K 161/15 (Az des EuGH C-471/17)
Normenkette
EUVO-767/2014; KN 1902; KN 1902 Unterpos. 3010; KN 1902 Unterpos. 3090
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Einreihung von Instantnudelgerichten.
Die Klägerin importiert Instantnudelgerichte. Eine ihr im Jahr 2010 erteilte verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) reihte "XX ... Instant Noodles, Vegetable Flavour, 60g" als Warenzusammenstellung, nicht getrocknet, in die Position 1902 3090 KN ein. In der vZTA heißt es: "Charakterbestimmend sind die Nudeln. Diese sind vorgegart und frittiert. Ein Trocknen im herkömmlichen Sinn hat nicht stattgefunden. Eine Zubereitung zum Herstellen von Suppen im Sinne der Pos 2104 liegt nicht vor." Auf dieser Grundlage überführte die Klägerin über lange Zeit Instantnudelgerichte beanstandungslos in den zollrechtlich freien Verkehr.
Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 vom 11.07.2014 wurden Instantnudelgerichte, die mit den im vorliegenden Verfahren eingeführten Waren vergleichbar sind, als getrocknete Teigwaren in die Unterposition 1902 3010 KN eintarifiert. Im Zuge der sich anschließenden Diskussion zwischen der deutschen Zollverwaltung und der Kommission veröffentlichte die Kommission am 04.03.2015 eine neue Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN, nach der als "getrocknet" im Sinne dieser Unterposition auch das Rösten und Frittieren zu verstehen sei.
Entsprechend der früheren Einreihungspraxis meldete die Klägerin auch im Juni 2015 mit verschiedenen vereinfachten Zollanmeldungen Instantnudelgerichte zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Nach Abgabe der ergänzenden Zollanmeldung AT/F/40/... vom 10.06.2015 zum Abrechnungszeitraum 01.06.-30.06.2015 setze der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 09.07.2015 (Registrierkennzeichen ATF-40-...) die Abgaben für die Einfuhr der Instantnudelgerichte auf der Grundlage der angegebenen Unterposition 1902 3090 KN abschließend fest.
Nachdem dem Beklagten aufgefallen war, dass die angemeldete Zolltarifposition von der Position abweicht, die durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 vorgegeben war, erhob er mit Einfuhrabgabenbescheid vom 05.08.2015 (Registrierkennzeichen ATF-11-…) für die Positionen 51, 91, 113-117, 154-157, 174-177, 237-242, 247,272-276, 372 und 373 der ergänzenden Zollanmeldung auf der Grundlage der Unterposition 1902 3010 KN weiteren Zoll i. H. v. 17.550,71 € nach. Den Zollanmeldungen zu diesen Positionen lagen Instantnudelgerichte in 55, 60, 70, 75 bzw. 85 Gramm-Plastikpackungen zugrunde, die jeweils aus einem Block frittierten Instantnudeln sowie einem oder mehreren Plastikbeuteln, die Gewürze, Pasten, Öle oder getrocknete Zutaten enthalten, bestehen. Die geringelten und vorgegarten (gedämpften) Nudeln haben nach dem Frittieren einen Fettgehalt von ca. 20%. Nach dem auf der Verpackung angegebenen "Zubereitungsbeispiel" werden dem in eine Schüssel gegebenen Inhalt der Packung etwa 320 ml kochendes Wasser zugegeben. Die mit der genannten ergänzenden Zollanmeldung eingeführten Instantnudelgerichte der Geschmacksrichtungen vegetarisch (Positionen 51, 114, 274), Shrimp (Positionen 91, 113, 156, 174, 273), Rind (Positionen 115, 117), Kim Chi (Position 116), Huhn (Positionen 154, 157, 247, 276, 372), Curry (Positionen 175, 238), Gemüse (Positionen 176, 177, 240), Schwein (Position 237), geschmortes Rind (Position 239), Wasabi (Position 272), Meeresfrüchte (Position 275) und Beef + Lime (Position 373) unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der beigefügten Gewürze, Pasten und Öle. Die Instantnudeln sind jeweils identisch. Auch wenn die Nudeln nach der Verpackungsangabe mit heißem Wasser übergossen zu einer Suppe zubereitet werden sollen, können sie auch ohne weitere Zubereitung, gleichsam wie Kartoffelchips, verzehrt werden.
Gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 05.08.2015 legte die Klägerin mit Schreiben vom 11.08.2015 Einspruch ein (RL ...), den sie wie folgt begründete: Frittierte Instantnudeln seien keine getrockneten Teigwaren. Diese Auffassung habe die deutsche Zollverwaltung bis zum Erlass der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 767/2014 und der Erläuterung zur Unterposition 1902 3010 KN vertreten. Das Fritt...