Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehung und Erlöschen von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer auf Messewaren bei Verstößen gegen das Zolllagerverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Abgrenzung zwischen Verstößen gegen Verpflichtungen in Bezug auf die Lagerung und das Entziehen von Waren aus der zollamtlichen Überwachung.
2. Art. 124 Abs. 1 Buchst. h UZK könnte so ausgelegt werden, dass es auch jenseits der in Art. 103 UZK-DelVO genannten Fallgruppen Fälle geben kann, bei denen sich der Verstoß nicht auf die Abwicklung des Zolllagerverfahrens ausgewirkt hat.
3. Eine Täuschung i.S.v. Art. 124 Abs. 1 Buchst. h Ziffer. ii UZK oder Art. 124 Abs. 6 UZK kann auch durch Unterlassen erfolgen.
4. Die Täuschungsabsicht wird nicht durch den objektiven Pflichtverstoß indiziert, sondern muss im Einzelfall festgestellt werden.
5. Gegen einen Täuschungsversuch und für einen fahrlässigen Rechtsirrtum spricht es, wenn es ohne erheblichen Mehraufwand in zollrechtskonformer Weise möglich gewesen wäre, den vom Wirtschaftsteilnehmer gewünschten Erfolg - im Streitfall: Direkttransport einer Ware zur Messe in Stadt A ohne vorherige Einlagerung in Stadt B - zu erreichen.
6. Eine im Rahmen des Zolllagerverfahrens zulässige Verwendung - im Streitfall: Ausstellung von Ware auf einer Messe - ist keine Verwendung i.S.v. Art. 124 Abs. 1 Buchst. k.
7. Solange sich Waren im Zolllagerverfahren befinden, können sie - trotz einer Pflichtverletzung gem. Art. 79 Abs. 1 Buchst. a Variante 5 UZK - nicht im mehrwertsteuerrechtlichen Sinne eingeführt sein.
8. Für die Aussetzung der Vollziehung von Verzugszinsen gemäß Art. 114 UZK muss keine Sicherheit geleistet werden.
9. Das Absehen von der Sicherheitsleistung für die Einfuhrumsatzsteuer gem. § 21 Abs. 3 UStG gilt auf Aussetzung Vollziehung.
Normenkette
UZK Art. 45, 79 Abs. 1 Buchst. a Variante 5, Art. 79 Abs. 1 Buchst. a Variante 2, Art. 114, 124 Abs. 1 Buchst. h, k, Abs. 6, Art. 126, 214 Abs. 1, Art. 237 Abs. 1, Art. 240 Abs. 1, Art. 242 Abs. 1; UZK-DelVO Art. 103 Buchst. b; UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 21 Abs. 2 Hs. 1, Abs. 3
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Einfuhrabgabenbescheids, mit dem Zoll und Einfuhrumsatzsteuer, jeweils nebst Zinsen, festgesetzt werden.
Die Antragstellerin ist seit dem ... 2002 Inhaberin der Zolllagerbewilligung DE-xxx Typ C. Im hier maßgeblichen Zeitraum ab dem 1. November 2016 umfasste die Bewilligung einzig eine Lagerfläche am xxx in B. Die Bewilligung sieht vor, dass Anmeldungen zur Überführung von Waren in das Zolllagerverfahren auch beim Hauptzollamt A - Zollamt A-1 (nachfolgend: A-1) - abgegeben werden können. Die Beförderung von dieser Zollstelle zum zugelassenen Lagerort ist ohne weitere Förmlichkeiten zulässig. Außerdem ist das vorübergehende Entfernen von Waren aus dem Zolllager insbesondere "zu Ansichtszwecken" für die Dauer von 12 Wochen erlaubt.
Mit Zollanmeldung XXX-1 vom 10. Januar 2017 meldete die Antragstellerin beim ZA A-1 1.169 geknüpfte Teppiche aus Wolle ohne Seidenanteil der Unterposition 5701 1090 KN sowie 15 Teppiche (Kelim/Sumak) der Unterposition 5702 1000 KN zur Überführung in das Zolllagerverfahren an. Diese Teppiche wurden der Antragstellerin direkt aus dem Iran geliefert. Das ZA A-1 nahm die Zollanmeldung am 12. Januar 2017 an und überließ die Teppiche antragsgemäß in das Verfahren. Die Antragstellerin verbrachte die Teppiche jedoch nicht unmittelbar zur zugelassenen Lagerstätte in B, sondern zunächst zu ihrer Ausstellungsfläche auf der Fachmesse ..., die vom ... 2017 in A stattfand. Am 17. Januar 2017 erhielt der Antragsgegner als Überwachungszollstelle ein Mehrstück der Zollanmeldung. Erst nach der Messe wurden die Teppiche zur Lagerstätte gebracht und in den Bestandsaufzeichnungen angeschrieben.
Nachdem der Antragsgegner im Rahmen einer zollamtlichen Überwachungsmaßnahme von diesem Vorgang erfahren hatte, gab er der Antragstellerin vor einer Besteuerung die Möglichkeit zum rechtlichen Gehör. Hierbei führte sie aus, dass die Bestandsaufzeichnungen zunächst papiermäßig erfolgt seien. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe die Bestandsaufzeichnungen nach seiner Rückkehr nach B elektronisch nachgetragen. Dies sei zeitnah und korrekt erfolgt. Außerdem sehe die Zolllagerbewilligung vor, dass Teppiche zu Ansichtszwecken bis zu zwölf Wochen entfernt werden dürften. Es wäre sinnlos gewesen, die Teppiche aus A zunächst nach B zu schaffen, um sie dann nach A zurückzubringen. Gerade um dies zu vermeiden, sei es der Antragstellerin erlaubt, Waren beim ZA A-1 zum Zolllagerverfahren anzumelden. Da es nach der Bewilligung erlaubt sei, die Ware vorübergehend zu entfernen, sei die Vorgehensweise ohnehin nicht zu beanstanden. Keinesfalls sei die Einfuhrumsatzsteuer entstanden, weil die Teppiche nicht in den Wirtschaftskreislauf der EU eingegangen seien.
Mit Einfuhrabgabenbescheid XXX-2 vom 20. November 2018 setzte der Antragsgegner ... € Zoll und ... € Einfuhrumsatzsteuer, mithin insgesamt ... €, sowie für die Zeit vom 13. Januar 2017...