Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung: Rechtmäßigkeit eines Sammelauskunftsersuchens
Leitsatz (amtlich)
Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass bei Versicherungsvertretern infolge von Schätzungsbescheiden zu niedrige Steuern festgesetzt wurden, besteht für ein Sammelauskunftsersuchen an einen Verein der Versicherungswirtschaft, der Daten zu Versicherungsvertretern erhebt, ein hinreichender Anlass.
Normenkette
AO § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2, § 93 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsersuchens.
Der Kläger ist eine insbesondere auf den Verbraucherschutz abzielende Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Versicherungswirtschaft in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Er hat nach § 2 Ziff. 1 seiner Satzung den Zweck zu erreichen, dass nur vertrauenswürdige Personen Versicherungs-, Bauspar- und sonstige Finanzdienstleistungsprodukte vermitteln. Hierzu unterhält er einen Auskunftsverkehr mit seinen Mitgliedern und deren Mitgliedsunternehmen.
Der Kläger speicherte über alle im Außendienst tätigen Vermittler diejenigen Informationen, die eine Beurteilung von deren Verlässlichkeit erlaubten. Hierzu gehörten Informationen darüber, für welche Versicherungsgesellschaft die jeweiligen Versicherungsvertreter bzw. -makler tätig waren. Informationen über die Höhe der Einkünfte, die die Versicherungsvermittler bzw. -makler bezogen, erhielt der Kläger nicht. Die Teilnahme an dem Verfahren des Klägers war für die Versicherungsvermittler oder Versicherungsmakler freiwillig. Im Gegenzug zur Teilnahme sicherte der Kläger den Versicherungsvermittlern bzw. -maklern die Vertraulichkeit der Daten zu.
Die Steuerfahndung des Beklagten ermittelte anhand der in den Datensätzen der Finanzverwaltung gespeicherten Gewerbekennzahl für Versicherungsmaklerinnen und -makler sowie der Kennzahl für Schätzungsbescheide aufgrund Nichterfüllung der Erklärungspflichten in den Veranlagungszeiträumen 2006 bis 2009 insgesamt 251 Personen. Diese Zahl entsprach knapp 5 % der Steuerpflichtigen in A mit der gespeicherten Gewerbekennzahl für Versicherungsmaklerinnen und -makler.
Der Beklagte ersuchte den Kläger mit Bescheid vom 08.11.2011, bezogen auf die von dem Beklagten ermittelten Personen, um Auskunft über alle Versicherungsunternehmen, für die diese Personen tätig sind oder waren und den Zeitraum der Tätigkeit bei dieser Gesellschaft bzw. diesen Gesellschaften. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 17.11.2011, bei dem Beklagten eingegangen am 18.11.2011, Einspruch ein.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27.03.2012 zurück. Zur Begründung bezog sich der Beklagte auf sein Schreiben an den Kläger vom 02.03.2012. In diesem Schreiben verwies der Beklagte auf steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Versicherungsvertreter im Freistaat Sachsen, die Schätzungsbescheide gegen sich ergehen ließen und die dadurch niedrigere Steuern gezahlt hatten, als sie tatsächlich hätten zahlen müssen, was durch an den Kläger gerichtete Einzelauskunftsersuchen aufgedeckt worden sei. Dies sei der Anlass für das Auskunftsersuchen an den Kläger gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die aufgrund einer Schätzung festgesetzte Steuer für den einzelnen Steuerpflichtigen finanziell günstiger sei als die Erklärung der konkret erzielten Einnahmen. Ziel des Auskunftsersuchens sei es, Daten darüber zu erheben, für welche Versicherungsgesellschaften die Steuerpflichtigen im Einzelnen tätig waren, um im Anschluss daran an die so bekannt gewordenen Versicherungsgesellschaften herantreten zu können. Zwar unterlägen die Versicherungsunternehmen einer permanenten Außenprüfung. Allerdings sei es im Rahmen dieser Außenprüfungen nicht tatsächlich erfüllbar, mit der notwendigen Detailtiefe Kontrollmitteilungen zu erstellen. Das Auskunftsersuchen stelle den Beginn der Ermittlungen des Beklagten dar. Es sei geeignet und auch verhältnismäßig. Im Rahmen des dem Beklagten zustehenden Ermessens sei das Interesse des Beklagten an der Erlangung der Auskünfte höher zu bewerten als das Interesse an der Vertraulichkeit des Verfahrens des Klägers. Das Auskunftsersuchen sei auch dem Kläger zumutbar. Datenschutzrechtliche Bedenken stünden dem Auskunftsersuchen nicht entgegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Beklagten vom 02.03.2012 verwiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 24.04.2012 Klage.
Er ist der Auffassung, das Auskunftsersuchen sei rechtswidrig. Es handele sich um eine bloße Ermittlung "ins Blaue hinein". Es fehle an konkreten Momenten dafür, dass Versicherungsvertreter bzw. -makler Steuern verkürzt hätten. Das Auskunftsersuchen richte sich nur pauschal gegen eine Vielzahl von Versicherungsvertretern bzw. -maklern. Der Erlass von Schätzungsbescheiden lasse noch nicht den Schluss zu, dass der betroffene Steuerpflichtige Steuern verkürzt habe. Es sei unzulässig, eine Sammelauskunft zu verlangen, um dann erst Ermittlungen gegen einzelne Personen beginnen zu können. Der Beklagte habe nicht da...