Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerstreitende Steuerfestsetzung im Verhältnis Grundlagenbescheid zu Folgebescheid
Leitsatz (redaktionell)
Neue Würdigung eines vom Grundlagenbescheid (Gewinnfeststellung) nicht mehr erfassten Sachverhalts (Versorgungsrente) bei der Veranlagung.
Die Vorschrift des § 174 AO wird nicht durch § 175 AO verdrängt.
Keine widerstreitende Steuerfestsetzung, wenn sich die in den verschiedenen Steuerbescheiden gezogenen Schlussfolgerungen nicht gegenseitig ausschließen.
Doppelte Nichtberücksichtigung ist keine Doppelberücksichtigung im Sinne des § 174 Abs. 1 AO.
Auch keine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO wegen doppelter Nichtberücksichtigung, sondern nur unter den engeren Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 174 Abs. 1-2, § 175 Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sowohl in den Gewinnfeststellungen als auch in den Einkommensteuer-Veranlagungen nicht abgezogene Versorgungszahlungen noch mittels Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide als Sonderausgaben bzw. dauernde Last berücksichtigt werden können (insbesondere unter dem Gesichtspunkt der widerstreitenden Steuerfestsetzung gemäß § 174 Abgabenordnung -AO-).
1. Die Kläger sind seit 1972 Gesellschafter einer KG. Ab 1978 handelt es sich um eine GmbH & Co KG. Seitdem sind die Kläger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und Kommanditisten. Bis 1977 war der Vater (V) des Klägers als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt.
2. In dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag war zugunsten der Witwen der Gesellschafter eine Gewinnbeteiligung bzw. eine Versorgungsrente vereinbart. In dem 1972 neu gefassten Gesellschaftsvertrag wurde der damaligen Ehefrau des V "mit Rücksicht auf dessen über fünfzigjährige Tätigkeit in dem Unternehmen wiederum eine lebenslängliche Versorgungszahlung in Höhe von jährlich 9.000 DM, höchstens 20 v. H. des Reingewinns", zugesagt. Nach dem Ausscheiden des V 1977 bestätigte die Gesellschaft die folgende Versorgungszusage: V und seine Frau sollten zusammen eine lebenslängliche Versorgungsrente in Höhe von 2.200 DM monatlich ab November 1977 erhalten. Beim Ableben eines Ehegatten sollte sich die Versorgungsrente auf 1.500 DM monatlich verringern.
3. In den Streitjahren 1980 und 1981 erhielten der ausgeschiedene Gesellschafter V und seine Ehefrau zusammen Versorgungszahlungen in Höhe von jährlich 22.800 DM. Im Jahr 1981 verstarb V. Daraufhin wurden an die Witwe 18.400 DM im Streitjahr 1982 und 18.000 DM im Streitjahr 1983 sowie weitere Beträge in den Folgejahren gezahlt (vgl. Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Finanzgerichts -FG- Hamburg vom 14. Mai 1993 I 27/89, Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 40 ff, FG-A I 27/89).
II. 1. Die Gesellschaft berücksichtigte die Zahlungen an V und seine Frau in den Erklärungen für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte als betriebliche Versorgungsrente (Gewinnfeststellungs-Akte Bd. VI -Gf-A- Bl. 7, 31, 55, 77, 154). Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) erließ zunächst erklärungsgemäße Feststellungsbescheide.
2. Die Feststellungsbescheide der jetzigen Streitjahre 1980-1983 wurden aufgrund einer in 1985-1986 durchgeführten Außenprüfung am 16. Mai 1986 mit der Begründung geändert, es liege eine außerbetriebliche bzw. private und keine betriebliche Versorgungsrente vor (Gf-A Bl. 90). Der Einspruch der Gesellschaft vom 7. Juli 1986 (Gf-A Bl. 154) wurde vom FA am 18. Januar 1989 zurückgewiesen (Gf-A Bl. 208, FG-A I 27/89 Bl. 22). Die Gesellschaft erhob am 8. Februar 1989 Klage beim FG. Im Erörterungstermin vom 22. Mai 1992 und mit Schriftsatz des FA vom 8. Dezember 1992 wurden zwischenzeitliche Rechtsprechungs-Entwicklungen und die Frage des Sonderausgabenabzugs - als private Versorgungsrente und dauernde Last - bei der Einkommensteuer-Veranlagung der Gesellschafter angesprochen (FG-A I 27/89 Bl. 52, 70). Mit Urteil vom 14. Mai 1993 I 27/89 wies das FG die Klage in der Gewinnfeststellungssache ab (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1993, 774; FG-A Bl. 40 ff, FG-A I 27/89). Das Urteil, in dem keine Revision zugelassen worden war, wurde rechtskräftig.
3. Für die Folgejahre 1985-1987 wurde der Sachverhalt erneut und letztlich in der Revisionsinstanz anders beurteilt.
Die ursprünglich erklärungsgemäß ergangenen Feststellungsbescheide wurden am 3. Dezember 1990 dahin geändert, dass die Zahlungen - wie für die Streitjahre - nicht als betriebliche Rente anerkannt wurden. Die im Dezember 1990 eingelegten Einsprüche wies das FA im August 1993 zurück. Die danach erhobene Klage wurde mit Urteil vom 18. Juli 1996 I 185/93 abgewiesen (EFG 1997, 113; FG-A Bl. 52 ff; FG-A I 185/93).
Die zugelassene Revision der Gesellschaft führte zur Aufhebung der Vorentscheidung durch den BFH, der die Zahlungen mit Urteilen vom 7. Oktober 1997 VIII R 56/96 für 1985 und VIII R 64/97 für 1986 und 1987 als betriebliche Versorgungsrente qualifizierte (BFH/NV 1988, 820 ...