Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für nicht verschreibungsfähige sog. Bagatell-Arzneimittel als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anwendung von sog. Bagatell-Arzneimittel, die nicht auf Kosten der Krankenkassen verschreibungsfähig sind, ohne eine zugrundeliegende ärztliche Verordnung, die auf fachkundiger Entscheidung mit Abwägung aller Risiken beruht, ist nicht i. S. des § 33 EStG medizinisch notwendig.
2. Mittel, die bei einer Suchtkrankheit nicht der Heilung dienen, sondern zur Befriedigung der Abhängigkeit konsumiert werden, sind nicht als medizinisch notwendig anzusehen.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Tatbestand
Unter den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen des Klägers für Nasenspray im Streitjahr 1996 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
Der Kläger ist gemäß Bescheid des Versorgungsamtes vom 13.11.1995 (Bl. 4 der Rechtsbehelfsakte – RbA –) u. a. wegen einer chronischen Nasennebenhöhlenerkrankung sowie Atemfunktionsbehinderung zu 60 % schwerbehindert. In seiner Einkommensteuererklärung für 1996 vom 17.3.1997 machte er neben anderen Aufwendungen Kosten für Arzneimittel von insgesamt 9.579,– DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Mit Einkommensteuerbescheid vom 1.4.1997 (Bl. 3 ff Einkommensteuer-Akte – ESt-A –) erkannte der Beklagte die Arzneimittelkosten nicht und von den übrigen Aufwendungen ohne Begründung nur einen Betrag von 2.857 DM als außergewöhnliche Belastung an. Er berücksichtigte ihn jedoch bei der Festsetzung der Einkommensteuer nicht, weil er unterhalb der zumutbaren Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG lag.
In der Anlage zum ESt-Bescheid für 1995 vom 30.4.1996 hatte der Beklagte ausgeführt, daß Aufwendungen für Arzneimittel nur als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden könnten, soweit ihre Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen werde. Weiter hatte es darin geheißen, daß zukünftig entsprechende Unterlagen beigebracht werden müßten.
Mit Schreiben vom 15.4.1997 legten die Kläger gegen den ESt-Bescheid 1996 Einspruch ein unter Hinweis auf vorangegangene Schreiben vom 24.3. und 2.4.1997 (Bl. 2, 15 ESt-A), in denen sie sich auf bereits vorgelegte Bescheinigungen der HNO-Ärztin und der Krankenkasse berufen und eine erneute Prüfung erbeten hatten.
Nach Hinweis des Beklagten vom 5.5.1997, daß Aufwendungen für Arzneimittel als außergewöhnliche Belastung nur anerkannt werden könnten, soweit ihre Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung (Umfang der Anwendung) nachgewiesen werde (Bl. 10 der Rechtsbehelfsakte –Rb-Akte–), reichten die Kläger zu der bereits vorliegenden Bescheinigung vom 12.7.1994 weitere Bescheinigungen der HNO-Ärztin Dr. T. vom 15.5.1997 und 14.8.1997 (Bl. 7, 12, 13 Rb-Akte) ein, nach denen der Kläger pro Tag durchschnittlich fünf Flaschen Nasen-Spray zur Linderung seiner Kopfschmerzen verbrauche und selbst bezahlt habe. Weiter liegt dem Beklagten eine Bescheinigung der Krankenkasse vom 21.9.1995 vor, daß keine Möglichkeit bestehe, Kosten für Nasenspray zu übernehmen (Bl. 8 Rb-Akte).
Im übrigen hatte der Beklagte von der Ärztekammer Hamburg eine Stellungnahme über die Eignung und Notwendigkeit einer täglichen Dosis von drei bis vier Flaschen Nasenspray bzw. –tropfen zur Linderung der Beschwerden aus einer chronischen Entzündung der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen eingeholt (Schreiben vom 12.8./29.8.1997, Bl. 14/15 f Rb-Akte).
Mit Einspruchsentscheidung vom 9.9.1997 (Bl. 25 ff Rb-Akte) wies der Beklagte den Einspruch zurück. Zwangsläufigkeit, Notwendigkeit und Angemessenheit der Aufwendungen seien nicht nachgewiesen. Der Nachweis habe durch Vorlage einer vor dem Kauf der Medikamente ausgestellten ärztlichen Verordnung zu erfolgen. Die vorgelegten Bescheinigungen hätten den notwendigen Beweis nicht erbracht.
Mit ihrer dagegen gerichteten Klage berufen sich die Kläger darauf, daß die mehrfache tägliche Verwendung von Nasenspray bzw. Nasentropfen zur Linderung der Beschwerden auf ärztlichem Rat beruhe. Mit den vorliegenden Bescheinigungen sei die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen. Dem Kläger und den Ärzten seien die Neben- und Folgewirkungen einer Überdosierung bekannt, die Linderung der Beschwerden sei jedoch von den behandelnden Ärzten höher eingeschätzt worden. Mildere Mittel hätten nicht zur Verfügung gestanden.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 9.9.1997 den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 1.4.1997 dahin abzuändern, daß Arzneimittelkosten in Höhe von insgesamt 9 579 DM unter Abzug der zumutbaren Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kläger seien ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß im Gegensatz zu den Vorjahren eine Anerkennung nur in Betracht kommen könne, wenn die Notwendigkeit des Arzneimittels durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen werde. Dessen Verwendung in dem behaupteten Umfang, der bestritten werde, sei ärztlich nicht erforderli...