Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis des Zugangs eines Verwaltungsaktes gem. § 122 AO
Leitsatz (amtlich)
Der Nachweis des Zugangs eines Verwaltungsaktes gem. § 122 AO kann von der Behörde nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises (prima-facie-Beweis) geführt werden; es gelten vielmehr die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere die des Indizienbeweises. Demnach können bestimmte Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Steuerbescheids im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung vom FG im Wege einer freien Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO dahingehend gewürdigt werden, dass entgegen der Behauptung des Steuerpflichtigen von einem Zugang des Steuerbescheids ausgegangen wird.
Normenkette
AO § 122; FGO § 47
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob noch weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.
Die 1989 geborene Klägerin hat in ihrer Einkommensteuererklärung für 2013, welche sie am 10.10.2014 bei dem Beklagten nicht unterschrieben eingereicht hat, als Beruf XX und YY angegeben. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit hat sie u. a. Fahrtkosten in Höhe von 2.925 € erklärt.
Am ... 2012 wurde der Sohn der Klägerin geboren, welcher seit August 2013 in A in den Kindergarten geht.
Im September 2012 hat die Klägerin zusammen mit dem Kindesvater einen Mietvertrag für eine Wohnung in A unterzeichnet. Im Streitjahr 2013 wohnte die Klägerin zusammen mit ihrem Sohn und dem Kindesvater in dieser Wohnung. Im Dezember 2013 zog der Kindesvater aus.
Mit ESt-Bescheid 2013 vom 18.11.2014 berücksichtigte der Beklagte u. a. nicht die von der Klägerin in Höhe von 2.925 € erklärten Fahrtkosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung.
Hiergegen legte die Klägerin am 12.12.2014 Einspruch ein.
Mit Teileinspruchsentscheidung vom 30.09.2015 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin, sofern er sich nicht auf die noch streitigen Beiträge zur Rentenversicherung bezog, als unbegründet ab. Nach der in der Akte befindlichen Verfügung wurde die Teileinspruchsentscheidung am selben Tag zur Post gegeben.
Durch den Änderungsbescheid für die Einkommensteuer 2013 vom 14.10.2015 berücksichtigte der Beklagte weitere Altersvorsorgeaufwendungen. Bei den Erläuterungen zur Festsetzung ist folgender Hinweis enthalten:
"Damit erledigt sich ihr Einspruch in dem Punkt, der nicht durch Einspruchsentscheidung vom 30.9.2015 erledigt ist."
Am 16.11.2015 ging ein Schreiben der Klägerin beim Beklagten ein, welches das Datum 26.10.2015 trägt und mit dem die Klägerin "Widerspruch" gegen den Bescheid vom 14.10.2015 einlegte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Schreiben verwiesen.
Mit Schreiben vom 25.11.2015 teilte der Beklagte u. a. mit, dass über den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 bereits durch Einspruchsentscheidung vom 30.09.2015 entschieden worden sei.
Die Klägerin teilte durch ihr Schreiben vom 27.11.2015 mit, dass sie ihren Einspruch nicht zurücknehme. Auf die Einspruchsentscheidung vom 30.09.2015 ging sie nicht ein.
Der Beklagte nahm durch sein Schreiben vom 24.03.2016 zur Rechtslage Stellung und wies in diesem Zusammenhang auf die Teileinspruchsentscheidung vom 30.09.2016 hin.
Durch Einspruchsentscheidung vom 29.04.2016 wurde der Einspruch der Klägerin vom 16.11.2015 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 12.08.2016 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie für das Jahr 2013 keine Einspruchsentscheidung erhalten habe. Sie begehre im Klageverfahren, dass ihr die ihr zustehenden Ansprüche zugesprochen werden. Dies seien in 2013 ihre Fahrtkosten, weil ihr Lebensmittelpunkt in B gewesen sei. Diesen Umstand habe sie bereits oft belegt und dargelegt.
Auch habe sie immer auf die Nachfragen des Beklagten reagiert.
Die Klägerin trägt vor, dass sie bereits durch ihr Schreiben vom 05.04.2016 dem Beklagten mitgeteilt habe, dass sie die Teileinspruchsentscheidung nicht erhalten habe (Anlage K 4). Dieses Schreiben befindet sich nicht in den Steuerakten des Beklagten.
Die Klägerin hat keinen ausdrücklichen Klageantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 14.10.2015 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 09.09.2016 dahingehend zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von 2.925 € berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt der Beklagte vor, er habe erstmalig im Rahmen des Klageverfahrens erfahren, dass die Klägerin die Teileinspruchsentscheidung nicht bekommen haben wolle. Das Schreiben der Klägerin vom 05.04.2016 (Anlage K 4) sei nicht beim Beklagten eingegangen. Die Klage sei deshalb nicht fristgemäß eingegangen. Der Lebensmittelpunkt der Klägerin befinde sich in A, so dass die Berücksichtigung von Fahrtkosten nach B ausscheide.
Am 04.10.2016 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin übertragen.
Am 04.10.2016 hat ein Erörterungstermin und am 01.11.2016 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Zu beide...