Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Antragsfrist auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung wegen Krankheit
Leitsatz (amtlich)
Krankheit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann ein Grund zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie so schwer und unvermutet eintritt, dass der Betroffene dadurch verhindert ist, seine steuerlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen oder durch einen Dritten wahrnehmen zu lassen. Amalgambelastung und ein Mineralmangel führt nicht zu einem Krankheitszustand, der es gerechtfertigt erscheinen lässt, dass man nicht in der Lage gewesen wäre, eine fachkundige Person mit der Erstellung der Steuererklärung zu beauftragen.
Normenkette
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2; AO § 110
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für die Veranlagung zur Einkommensteuer 1998 wegen Versäumens der Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Die ledige Klägerin war im Jahre 1998 als beamtete Referendarin für das Lehramt tätig. Sie erzielte hieraus einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 27.132,23 DM. Im März 1999 gebar sie eine Tochter. Am 21.8.2000 begab sie sich bei der Ärztin für Allgemeinmedizin, Frau Dr. A, in Behandlung. Diese diagnostizierte nach Untersuchung und Erstellung eines großen Blutbildes sowie ergänzender Blutparameter der verschiedenen Organsysteme bei der Klägerin: "V.a. (Verdacht auf) Schwermetallbelastung bei Z.n. (Zustand nach) Amalgamsanierung V.a. allergische Reaktion auf Zahnmaterialien; Erschöpfungssyndrom Lumbalgie; Beckenbodenschwäche nach Geburt Mineralmangelsyndrom; Selenmangel Quecksilberbelastung"
Bis zum Ende des Jahres 2000 nahm Frau Dr. A bei der Klägerin 11 Beratungen (auch telefonisch) - davon zwei umfangreichere mit einer Länge von mindestens 20 Minuten - vor. Auf die Rechnungen der Ärztin vom 31.8. bis 20.12.2000 (Einkommensteuerakten Blatt 64 bis 69) wird Bezug genommen. Im Oktober 2000 stellte Frau Dr. A der Klägerin ein Attest über die Notwendigkeit einer Mutter-Kind-Kur gem. § 41 SGB V aus. Auf dieses Attest (Einkommensteuerakten Blatt 62 und 63) wird ebenfalls Bezug genommen. In der Zeit vom 3. bis 31.1.2001 befand sich die Klägerin in einer Kur.
Am 5.4.2001 reichte die Klägerin bei dem Beklagten die Einkommensteuererklärung für 1998 ein. Erläuternd führte sie im beigefügten Schreiben aus, dass sie die Einkommensteuererklärung 1998 leider jetzt erst habe fertig stellen können, da sie im Zeitraum zwischen dem 31.12.2000 und dem 5.4.2001 krank gewesen sei und eine Kur gemacht habe.
Am 30.4.2001 attestierte Frau Dr. A: "Frau ...(B) war von November 2000 bis Anfang April 2001 aus krankheitsbedingten Gründen nicht in der Lage, ihre notwendigen organisatorischen Dinge (Steuererklärung etc.) durchzuführen."
Der Beklagte wertete das Schreiben der Klägerin vom 5.4.2001 als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und lehnte mit Bescheid vom 1.11.2001 die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 1998 sowie den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.11.2001, eingegangen am selben Tage, Einspruch ein. Sie trug vor, dass sie ohne subjektives Verschulden die Frist versäumt habe, da sie durch ihre Krankheit in ihrer Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung zur Wahrung der Frist gehindert gewesen sei. Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 13.3.2002 als unbegründet zurück.
Mit Schreiben vom 12.4.2002, eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin trägt vor: Sie habe nachgewiesen, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert gewesen sei, die gesetzliche Frist zum 31.12.2000 für die Beantragung der Veranlagung zur Einkommensteuer 1998 einzuhalten. Sie habe anhand von Attesten sowie des Überweisungsbeleges zur Kur detailliert ihre Krankheit - allergische Reaktionen auf Zahnmaterialien sowie Erschöpfungssyndrome und Mineralmangel - nachgewiesen. Dieses sei als Wiedereinsetzungsgrund anzusehen. Durch die Atteste und Rechnungen sei die Art, Schwere und Dauer ihrer Krankheit dargelegt und glaubhaft gemacht worden. Das Attest der behandelnden Ärztin betreffe den gesamten Zeitraum von November 2000 bis April 2001. Durch die Krankheit sei es ihr nicht zumutbar gewesen, die Einkommensteuererklärung rechtzeitig einzureichen. Die Erschöpfungszustände seien auf die im März 1999 erfolgte Geburt ihres Kindes sowie eine im August 2000 eingetretene Amalgambelastung und eines Mineralmangels zurückzuführen gewesen. Aufgrund dieses plötzlichen Krankheitszustandes habe die Klägerin nicht mehr fristgerecht die Einkommensteuererklärung 1998 abgeben können. In den Monaten vor dem Jahreswechsel 2000/2001 sei sie in einer sehr angespannten Situation gewesen. Sie habe ihre kleine Tochter zu versorgen gehabt, die sie teilweise ...