Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufbewahrung von Präferenznachweisen nach dem Schema des Allgemeinen Präferenzsystems für Entwicklungsländer
Leitsatz (amtlich)
Der Präferenznachweis nach Formblatt A ist nicht im Sinne einer bloßen Formalität zu verstehen, die unbeachtet bleiben kann, wenn der Ursprungsort durch andere Beweismittel festgestellt wird. Vernichtet der Wirtschaftsbeteiligte solche Präferenznachweise nach der Digitalisierung und kann in der Zollprüfung nur Kopien vorlegen, dann hat er keinen Anspruch auf Gewährung der Zollpräferenz. In Fortführung der Rechtsprechung des FG Hamburg (Urteil vom 21. September 2021, 4 K 63/18).
Normenkette
ZK Art. 62, 77; AO § 147
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Versagung eines Präferenzzolls betreffend die Einfuhr von Rohgussteilen.
Die Klägerin stellt in der Bundesrepublik Deutschland Sicherheitsventile her. Das Gehäuse besteht größtenteils aus Grauguss. Diesen Grauguss bezog die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum von Oktober 2012 bis Januar 2015 von verschiedenen Gießereien mit Sitz in Indien, wozu sie ihn importierte. Hinsichtlich der im Streitzeitraum importierten streitbefangenen Rohgussteile macht die Klägerin eine Zollpräferenz nach dem Schema des Allgemeinen Präferenzsystems für Entwicklungsländer (APS) geltend.
Dazu meldete sie die Teile unter Anmeldung aber ohne Vorlage der Ursprungszeugnisse beim Beklagten unter der Codenummer 8413 9100 900 des elektronischen Zolltarifs (EZT) als "Gehäuse für Flüssigkeitspumpen" (Drittlandszollsatz 1,7 %) zum präferenziellen Zollsatz 0 % zur Überführung in den zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich freien Verkehr an, woraufhin die Waren als präferenziellen Ursprungs vorläufig zollfrei überlassen wurden.
Im Rahmen einer ab dem 24. Juli 2015 durchgeführten Zollprüfung (AB Nr. XXX) konnte die Klägerin auf Aufforderung durch den Beklagten für die streitbefangenen Einfuhren keine Ursprungszeugnisse nach Formblatt A im Original vorlegen, sondern lediglich Schwarzweißausdrucke von Scans. Mit dem Prüfungsvermerk vom 29. September 2015 und dem Prüfungsbericht vom 3. Mai 2016 führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Zollpräferenzen mangels des Vorliegens von Original-Ursprungszeugnissen zu Unrecht gewährt worden seien. Die Waren seien als "Teile für Sicherheitsventile" der Codenummer 8481 9000 900 EZT (Drittlandzollsatz 2,2 %) einzureihen und zu verzollen.
Der Beklagte setzte auf dieser Grundlage mit fünf Bescheiden (6. Oktober 2015, 22. Dezember 2015, 24. März 2016, 16. Juni 2016, 21. Juni 2016) Zoll in der rechnerisch unstreitigen Gesamthöhe von ... € fest.
Mit ihren beim Beklagten am 14. Oktober 2015, 20. Januar 2016, 13. April 2016, 6. Juli 2016 und 12. Juli 2016 eingegangenen Schreiben legte die Klägerin Einspruch gegen die Bescheide ein. Sie habe Zweitschriften der Präferenznachweise bei den Lieferanten angefordert. Die Versuche der Klägerin, Zweitschriften der Präferenznachweise über die in Indien ansässigen Lieferanten oder andere Wege (einen Wirtschaftsprüfer und dessen Kontakte) zu erlangen, blieben indes erfolglos.
Mit Schreiben vom 31. März 2017 bat die Klägerin den Beklagten um Unterstützung in ihrem Bemühen, bei den zuständigen Behörden in Indien Duplikate zu erlangen und stellte den Entwurf für ein entsprechendes Anschreiben zur Verfügung. Der Beklagte bot an, der Klägerin eine schriftliche Bestätigung zu erteilen, dass die Rechtsbehelfe der Klägerin gegen die Einfuhrabgabenbescheide ohne Vorlage von Duplikaten der Ursprungszeugnisse nach Formblatt A keine Erfolgsaussicht hätten. Nachdem die Klägerin unter dem 23. Februar 2018 gebeten hatte, zunächst abzuwarten, ob Duplikate in Indien auch ohne diese Bestätigung erstellt würden, verfolgte die Klägerin ihr Ansinnen gegenüber dem Beklagten nicht weiter. Unter dem 15. September 2020 forderte der Beklagte letztmalig vor einer Entscheidung zur Vorlage aussagekräftiger Unterlagen binnen Monatsfrist auf, worauf die Klägerin sich nicht äußerte.
Mit den Einspruchsentscheidungen vom 12. Mai 2021 (fälschlicherweise datiert auf den 12. Mai 2020) wies der Beklagte die Einsprüche zurück.
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EAB |
Datum |
ATS |
Einspruch |
RL-Nr. |
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(Eingang) |
(neu) |
(alt) |
K1 |
06.10.2015 |
AT/S/XXX-1 |
14.10.2015 |
xxx-1/16 |
xxx |
K3 |
22.12.2015 |
AT/S/XXX-2 |
20.01.2016 |
xxx-2/16 |
xxx |
K5 |
24.03.2016 |
AT/S/XXX-3 |
13.04.2016 |
xxx-3/16 |
xxx |
K7 |
16.06.2016 |
AT/S/XXX-4 |
06.07.2016 |
xxx-4/16 |
xxx |
K9 |
21.06.2016 |
AT/S/XXX-5 |
12.07.2016 |
xxx-5/16 |
xxx |
Die Klägerin hat am 15. Juni 2021 Klage erhoben, die sie wie folgt begründet:
Die grundsätzlich für eine präferenzielle Vorzugsbehandlung erforderlichen Präferenznachweise nach amtlichem Muster hätten ihr zwar im Original vorgelegen, seien jedoch in den Streitfällen nach der Digitalisierung vermutlich vernichtet worden.
Dieser Umstand sei im Ergebnis aber unschädlich. Nach den EuGH-Entscheidungen C-12/92 und C-334/93 könne von der Einhaltung des formalen Nachweissystems abgewichen werden, soweit Unterlagen vorlägen, die den Präferenzursprung anderweitig bewiesen. In einem solchen Fall dürfte...