Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH III B 28/22)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung eines in Kindergeldangelegenheiten aus rein altruistischen Motiven handelnden Bevollmächtigten
Leitsatz (amtlich)
Ein aus rein altruistischen Motiven handelnder Bevollmächtigter, der für eine aus dem Ausland stammende Kindergeldberechtigte in deren Kindergeldangelegenheiten tätig wird, ist nicht befugt, in Steuersachen Hilfe zu leisten.
Die spezielleren Regelungen in anderen Gesetzen bleiben von den Regelungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes unberührt.
Normenkette
AO § 80 Abs. 7; RDG § 1 Abs. 3, § 6; StBerG § 6
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Klägers als Bevollmächtigten in einem kindergeldrechtlichen Verfahren.
Die Kindergeldberechtigte A (im Folgenden auch: die Kindergeldberechtigte), die fünf Kinder hat, bezog seit langen Jahren Kindergeld. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2019 hob die Beklagte die Festsetzung für den am ... 1997 geborenen Sohn ab Februar 2020 auf, da Nachweise zum Andauern des Studiums nicht vorgelegt worden seien. Durch einen weiteren Bescheid vom 19. März 2020 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für diesen Sohn für den Zeitraum Dezember 2018 bis Januar 2020 auf und forderte von der Kindergeldberechtigten überzahltes Kindergeld in Höhe von 2.786 € zurück.
Der Kläger ist Diplom-... Er ist ein langjähriger Freund der Familie der Kindergeldberechtigten. Die Freundschaft begann um das Jahr 1990 herum, als der Kläger gemeinsam mit dem mittlerweile verstorbenen Ehemann der Kindergeldberechtigten dem Kirchenvorstand der Kirchengemeinde B angehörte. Wegen Schwierigkeiten mit der deutschen Schriftsprache nahm die im Sudan aufgewachsene Kindergeldberechtigte wiederholt von dem Kläger Formulierungs- und Schreibhilfe in Anspruch und erteilte ihm seit 2013 Vollmachten. Durch diese ermächtigte sie ihn, sie gegenüber allen Behörden, Gerichten, Finanzinstitutionen, sozialen und medizinischen Einrichtungen und ähnlichen Stellen vollumfänglich zu vertreten. Die Kindergeldberechtigte erteilte dem Kläger jedenfalls am 23. Dezember 2017 eine bis zum 31. Dezember 2020 und am 15. Oktober 2018 eine bis zum 31. Dezember 2021 befristete Vollmacht. Der Kläger unterzeichnete in Ausübung seiner Vollmacht mehrfach Erklärungen gegenüber der Beklagten. Im Oktober 2013 erteilte auch eine Tochter der Kindergeldberechtigten dem Kläger eine solche Vollmacht, die bis zum 31. Dezember 2015 befristet war.
Mit E-Mail vom 8. Mai 2020 und Schreiben vom 31. Juli 2020 wandte sich der Kläger in der Angelegenheit der Kindergeldberechtigten an die Beklagte und teilte unter anderem mit, dass sich die Kindergeldberechtigte seit Juli 2019 zu einem Verwandtenbesuch im Südsudan aufhalte. Durch gesundheitliche Schwierigkeiten, familiäre Angelegenheiten und zuletzt die Coronakrise sei sie daran gehindert worden, wie ursprünglich geplant nach wenigen Monaten zurückzukehren. Zugleich bat er die Beklagte trotz Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Bescheide vom 27. Dezember 2019 und vom 19. März 2020 um Abhilfe, sei es durch eine Einspruchsentscheidung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, als Billigkeitsentscheidung oder Niederschlagung der Rückforderung.
Nach vorangegangener Anhörung wies die Beklagte den Kläger durch Bescheid vom 1. September 2020 gemäß § 80 Abs. 7 Abgabenordnung (AO) als Bevollmächtigten der Kindergeldberechtigten zurück. Der Kläger gehöre weder zu dem zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugten Personenkreis gem. §§ 3, 3a, 4 und 6 Steuerberatungsgesetz noch sei er als Privatperson für einen Angehörigen im Sinne von§ 15 Abgabenordnung tätig geworden.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 29. September 2020. Er sei in seinem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. Dieses beinhalte ein "Recht auf Helfen" innerhalb des Rechts des Einzelnen, sich im Rahmen familiärer, nachbarschaftlicher, freundschaftlicher und anderer sozialer Kontakte persönlich zu engagieren. Der Rechtsprechung des BVerfG zum damaligen Rechtsberatungsgesetz zufolge seien die allgemeine Handlungsfreiheit einerseits und der Schutz der Rechtssuchenden und der geordneten Rechtspflege andererseits zum Ausgleich zu bringen. Diese Rechtsprechung lasse sich auf dasSteuerberatungsgesetz übertragen, da kein Unterschied in den zu schützenden Rechtsgütern bestünde. Das Rechtsdienstleistungsgesetz lasse in § 6 Abs. 2 unentgeltliche Rechtsdienstleistungen innerhalb "familiärer, nachbarschaftlicher oder ähnlich enger persönlicher Beziehungen" zu. Diese Vorschrift könne als Auslegungshilfe für die Abgrenzung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen herangezogen werden. Auch werde gegen grundlegende Bestandteile der deutschen Rechtsordnung verstoßen. Ein Bürger könne für sich selbst handeln, wenn nicht im Einzelfall eine juristische Pflichtvertretung vorgeschrieben sei. In diesem Rahmen könne er sich dann aber auch durch Vertreter vertreten lassen, ohne dass d...