Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer: Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zwei jeweils mit eigenen Anteilen an einer Gesellschaft beteiligte Personen sind im Verhältnis zu dieser Gesellschaft kein herrschendes Unternehmen im Sinne von § 6a Abs. 1 Satz 3 GrEStG.

2. Das Erfordernis der Vorbehaltensfristen in § 6a Abs. 1 Satz 4 GrEStG ist nicht teleologisch auf Fälle des Missbrauchs zu reduzieren.

 

Normenkette

GrEStG § 6a

 

Tatbestand

1. Die Klägerin wurde im Mai 2020 gegründet. Anteilseigner sind je zur Hälfte A und B.

Beide waren in demselben Verhältnis Gesellschafter der im November 2020 gegründeten C GbR (GbR).

Die GbR erwarb am ... 2020 einen Miteigentumsanteil an dem Flurstück xxx, Gemarkung ..., Grundbuch Blatt xxx, belegen unter der Adresse XX, Hamburg (Grundstück).

2. Die Gesellschafter der Klägerin hielten am ... 2021 eine notariell beurkundete Gesellschafterversammlung ab. Sie beschlossen (Gliederungspunkt II der notariellen Urkunde) die Erhöhung des Stammkapitals der Klägerin um ... €, wobei A und B jeweils ... € der neuen Geschäftsanteile übernehmen sollten. Die Einlagen auf die neuen Geschäftsanteile sollten nicht durch Geld, sondern durch Sacheinlagen zu erbringen sein und zwar jeweils durch die an der GbR gehaltenen Anteile. Die Gesellschafter und die Klägerin vereinbarten diesbezüglich die Übertragung der GbR-Anteile mit schuldrechtlicher Wirkung zum 1.1.2022 (Gliederungspunkt IV). Die Gesellschafter erklärten, die GbR erlösche in Folge der Einbringung der Anteile (Gliederungspunkt I (4)).

Die Gesellschafter und die Klägerin beantragten (Gliederungspunkt V) die Berichtigung des Grundbuchs dahingehend, dass die Klägerin in Folge des Erwerbs sämtlicher Anteile an der GbR Eigentümerin ist. Außerdem beantragten sie die Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).

3. Nachdem die Beteiligten über die Frage der Grundsteuervergünstigung nach § 6a Abs. 1 GrEStG kontrovers korrespondiert hatten, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 08.07.2022 Grunderwerbsteuer in Höhe von ... € fest, wobei Bemessungsgrundlage der mit Bescheid vom 17.06.2022 festgestellte Grundbesitzwert von ... € war.

Die Klägerin legte am 20.07.2022 Einspruch gegen den Steuerbescheid vom 08.07.2022 ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 01.12.2022 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Die Klägerin hat gegen die Einspruchsentscheidung vom 01.12.2022 am 08.12.2022 Klage erhoben.

Den zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hat der Senat mit Beschluss vom 02.05.2023 abgelehnt (3 V 157/22).

Die Klägerin moniert, dass es in dem angefochtenen Bescheid heiße, der Erwerbsvorgang unterliege gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, weil es einen in Nummer 1 der Norm vorausgesetzten Zahlungsvorgang nicht gegeben habe.

Die Klägerin trägt vor, A und B hätten die Anteile an der GbR im Rahmen eines qualifizierten Anteilstausches eingebracht und damit auch das streitgegenständliche Grundstück. Es sei eine Verschmelzung (sidestream merger) gemäß § 20 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) erfolgt und damit liege ein grunderwerbsteuerbegünstigter Vorgang vor.

Der Tatbestand des § 6a GrEStG sei erfüllt, einschließlich des Tatbestandsmerkmals des "herrschenden Unternehmens". A und B seien durchgängig sowohl bei der Klägerin als auch bei der GbR mit jeweils 50% beteiligt gewesen. Beide Gesellschafter hätten - was für eine GbR konstituierend sei - im Innenverhältnis gleichgerichtete Interessen verfolgt und damit eine Personengruppe gebildet, die als solche auch nach außen erkennbar aufgetreten sei. Die Einbringung der GbR-Anteile sei nicht durch einen der beiden Gesellschafter, sondern durch beide zusammen, in Gestalt einer Gruppe mit gleichgerichteten Interessen, getroffen worden. Auf Seiten dieser beherrschenden Person sei es bei dem besteuerten Vorgang zu keinem tatsächlichen Eigentümerwechsel gekommen.

Die Intention des Gesetzgebers und der Wortlaut des § 6a GrEStG geböten eine weite Auslegung der Norm. Mit ihr sollten Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen erleichtert werden (Bundestagsdrucksache - BTDrucks - 17/147, 10). Ein Ausschluss von Gruppen natürlicher Personen - wie hier A und B - sei weder mit dem Gleichbehandlungsgebot noch mit dem Prinzip der rechtsformneutralen Besteuerung vereinbar.

Nur eine solche Sichtweise entspreche dem Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.09.2020. Unter Ziffer 3.1 werde zum Merkmal des herrschenden Unternehmens in § 6a GrEStG ausgeführt, diese Vorschrift gelte für alle wirtschaftlich tätigen Rechtsträger. Der Erlasstext sei explizit im Plural formuliert worden, so dass wirtschaftlich tätige natürliche Personen herrschendes Unternehmen sein könnten. Ebenso habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 16.03.2022 (II R 24/20, Rdnr. 26) formuliert. Demnach seien A und B ein herrschendes Unternehmen im Sinne von § 6a GrEStG.

Die Klägerin verweist auf Entscheidungen des Hessischen Finanzgeri...

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