Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzicht auf Stundungszinsen
Tenor
Die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion Hamburg vom 10.12.1986 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens fallen dem Beklagten zur Last. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin war Gesellschafterin der H. GmbH, Hamburg, (H.), deren Anteile sie zu 95 v.H. hielt. Mit Verschmelzungsvertrag vom 08.06.1984 ist das Vermögen der H. als Ganzes im Wege der Verschmelzung gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und die Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung – KapErhG – auf die Klägerin übertragen worden; die Verschmelzung ist am … in das Handelsregister (Amtsgericht Hamburg HRB …) eingetragen worden. Die H. ist seitdem erloschen; die Klägerin ist ihre Rechtsnachfolgerin.
Mit Wirkung vom 10.10.1985 verlegte die Klägerin den Sitz ihrer Geschäftsleitung von Hamburg nach S.. Dies wurde dem Finanzamt für Körperschaften in Hamburg mit Schreiben der für die Klägerin handelnden P. GmbH vom 31.10.1985 und durch anschließendes Schreiben des Finanzamtes Frankfurt am Main-… vom 18.11.1985 mitgeteilt. Auf den Inhalt beider Schreiben wird Bezug genommen.
Durch Bescheid vom 17.02.1981 setzte das Finanzamt für Körperschaften in Hamburg gegen die H. nach einem geschätzten zu versteuernden Einkommen von … DM und unter Berücksichtigung einer Minderung gemäß § 27 Körperschaftsteuergesetz – KStG – in Höhe von 5/16 (= … DM) einer Gewinnausschüttung von … DM nachträglich eine Körperschaftsteuer-Vorauszahlung für 1980 in Höhe von … DM fest. Die Gewinnausschüttung resultierte aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft. Die H. beantragte, diesen Vorauszahlungsbetrag gemäß § 222 Abgabenordnung – AO – zinslos zu stunden. Da sie ihrerseits den Kaufpreis aus der Beteiligungsveräußerung gestundet habe, stünden ihr liquide Mittel für die Vorauszahlung nicht zur Verfügung. Überdies erwarte ihre – damalige – Gesellschafterin, die Klägerin, aus der Anrechnung der Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer auf die im Januar 1981 von ihr erhaltene Gewinnausschüttung sowie nach ausschüttungsbedingter Teilwertabschreibung der Gesellschafteranteile an ihr eine Steuererstattung, die die geforderte Körperschaftsteuer-Vorauszahlung für 1980 übersteige; diese Erstattung belaufe sich voraussichtlich auf geschätzte … DM. Die genaue Höhe des Erstattungsbetrages in Höhe von … DM ergab sich aus der Körperschaftsteuererklärung 1981 der Klägerin, die beim Finanzamt für Körperschaften in Hamburg am 23.10.1981 einging.
Nachdem die H. einen Liquiditätsstatus auf den 03.04.1981 eingereicht hatte und dem Finanzamt für Körperschaften in Hamburg durch die Klägerin deren Körperschaftsteuererstattungsanspruch 1981 zur Sicherung der geforderten Körperschaftsteuer-Vorauszahlung für 1980 Anfang April 1981 abgetreten worden war, stundete das Finanzamt für Körperschaften in Hamburg mit Bescheid vom 26.06.1981 die festgesetzte und am 02.04.1981 fällig gewesene Körperschaftsteuer-Vorauszahlung 1980 bis zum 02.10.1981. Gleichzeitig wurde der Antrag der H., den Betrag zinslos zu stunden, abgelehnt. Dementsprechend setzte das Finanzamt mit – ebenfalls unter dem 26.06.1981 datierenden – Zinsbescheid Stundungszinsen gemäß §§ 234 Abs. 1, 238 AO für den Zeitraum 03.04. bis 02.10.1981 in Höhe von … DM fest.
Gegen die Ablehnung des Zinsverzichts erhob die H. am 08.07.1981 Beschwerde, die von der Oberfinanzdirektion – OFD – Hamburg mit Entscheidung vom 10.12.1986 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die im Rahmen des § 234 Abs. 2 AO abzuwägenden Billigkeitsgründe müßten im Zusammenhang mit den Stundungsgründen im Sinne des § 222 AO gesehen werden. Für die der H. gewährten Stundung seien allein persönliche Gründe entscheidend gewesen, nämlich ein Liquiditätsengpaß durch die dem Erwerber der veräußerten Beteiligung eingeräumte Kaufpreisstundung. Bei persönlichen Stundungsgründen aber sei die Erhebung von Stundungszinsen nicht unbillig, wenn die Liquidität des Schuldners – wie vorliegend – mit der Art seiner Tätigkeit zusammenhänge. In derartigen Fällen gehörten die Zinsen für die Überbrückung des Engpasses – sei es durch Bankkredit oder Steuerstundung – zur Finanzierung des Unternehmens und schmälere im Ergebnis den Veräußerungsgewinn. – Für einen Zinsverzicht aus sachlichen Billigkeitsgründen bestehe im Streitfall kein Anlaß. Von derartigen Gründen könne nur dann die Rede sein, wenn der Gläubiger dem Schuldner andere Geldleistungen schulde, ohne daß die Möglichkeit einer Aufrechnung bestehe, oder wenn die Tilgung von gegen den Gläubiger des einzuziehenden Anspruchs gerichteten Gegenansprüchen zu erwarten sei. Der H. habe gegenüber dem Finanzamt kein Gegenanspruch zugestan...