Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 104/11)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollrecht: Nacherhebung von Zusatzzoll auf die Einfuhr von Dosenchampignons mit Ursprung in China

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen für die Anerkennung eines Nacherhebungsverbots gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b) Unterabs. 1 Zollkodex (aktiver Irrtum bei Vorliegenden einer ständigen, gemeinschaftsrechtswidrigen Verwaltungspraxis

 

Normenkette

Zollkodex Art. 220 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 02.07.2012; Aktenzeichen VII B 104/11)

 

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich gegen die Nacherhebung von Einfuhrabgaben.

Unter dem 04.04.2006 teilte die Klägerin als Anmelderin mit, dass sie durch Anschreibung am 28.03.2006 eine Partie Champignons (Pilzkonserven der Gattung Agaricus) mit Ursprung in China mit einem Abtropfgewicht von 309 kg in den freien Verkehr überführt habe. Aus dem angewandten Verfahrenscode ergibt sich, dass sich die Waren zuvor im Zolllagerverfahren befanden. Es existiert ein im Februar 2002 ausgestelltes Ursprungszeugnis. Die Klägerin gab den Präferenzcode 120 (Abgabenbegünstigung ohne Präferenznachweis, Zollkontingent) an. Wie im Anschreibeverfahren vorgesehen, berechnete die Klägerin die Einfuhrabgaben selbst, wobei sie einen Zollsatz von 23 % zu Grunde legte.

Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 19.04.2007 erhob der Beklagte Einfuhrabgaben (Zoll) in Höhe von 667,08 € nach. Da das Ursprungszeugnis nicht mehr gültig gewesen sei, sei der Drittlandszoll in Ansatz zu bringen.

Am 30.04.2007 erhob die Klägerin gegen den Einfuhrabgabenbescheid Einspruch. Sie vertritt die Auffassung, die Waren innerhalb der Zehn-Monatsfrist des Art. 56 Abs. 4 ZK-DVO in das Zolllagerverfahren überführt zu haben. Zwar habe die Abfertigung zum freien Verkehr außerhalb dieser Frist stattgefunden, gleichwohl sei die Ware zum Kontingent angerechnet worden, weil es der Praxis entsprochen habe, auf den Zeitpunkt der Überführung in das Zolllagerverfahren abzustellen. Davon abgesehen habe sie ihrer Pflicht, das Ursprungszeugnis innerhalb der Frist des Art. 56 Abs. 4 ZK-DVO vorzulegen, durch Vorlage im Rahmen des Zolllagerverfahrens bei Gestellung der Ware genügt. Weiter verstoße die Nacherhebung gegen das Nacherhebungsverbot gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b) Zollkodex. Es liege ein für sie nicht erkennbarer Irrtum der Zollbehörde vor. Schließlich sei die Höhe des Drittlandszollsatzes von 222 € je 100 kg Abtropfgewicht unverhältnismäßig.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 04.04.2008 zurückgewiesen. Darin legte der Beklagte dar, dass die Waren entsprechend der vorliegenden Bewilligung mit der Anschreibung am 28.03.2006 als zum freien Verkehr überlassen gegolten hätten. Das vorzulegende Ursprungszeugnis habe nach Art. 56 Abs. 4 ZK-DVO eine Gültigkeit von 10 Monaten ab Ausstelldatum gehabt. Die Gültigkeitsdauer sei zum Zeitpunkt der Anschreibung abgelaufen gewesen, so dass das Ursprungszeugnis ungültig geworden sei. Auf den Zeitpunkt der Überführung der Ware in das Zolllagerverfahren könne mangels Rechtsgrundlage nicht abgestellt werden. Im Anschreibungsverfahren würden lediglich stichprobenweise Überprüfungen vorgenommen, daher liege kein aktiver Irrtum im Sinne von Art. 220 Abs. 2 lit. b Zollkodex vor. Die Zollverwaltung weiche auch nicht von einer bisherigen Praxis ab, vielmehr seien die bestehenden Vorschriften nicht immer beachtet worden.

Mit ihrer am 02.05.2008 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt die Einspruchsbegründung und betont, es liege auch nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums ein nicht erkennbarer aktiver Irrtum der Zollverwaltung vor.

Die Klägerin beantragt,

den Einfuhrabgabenbescheid vom 19.04.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.04.2008 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung.

Mit Beschluss vom 16.07.2009 hatte das Gericht auf übereinstimmende Anträge der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das Vorabentscheidungsersuchen des Senats im Verfahren 4 K 5/08 angeordnet. Nach Erlass des Urteils des EuGH vom 25.11.2010 (C 213/09) wird das Verfahren fortgesetzt.

Ein Band Sachakten hat vorgelegen. Auf die Sachakten sowie die Gerichtsakte, insbesondere die zitierten Aktenstellen, wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

I.

Der Einfuhrabgabenbescheid vom 19.04.2007 ist in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.04.2008 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.

Rechtsgrundlage für die Nacherhebung des Einfuhrzolls ist Art. 220 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (Zollkodex), wonach die mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag erfasste Zollschuld nachträglich erfasst werden kann.

Im Streitfall hat die Klägerin das die Zollanmeldung der Waren zur Übe...

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