Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen eines Fitnessstudios während der Schließzeit durch Corona-Verordnung. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 5/23)
Leitsatz (amtlich)
1. Es liegt keine Leistung des Fitnessstudiobetreibers vor, wenn das Studio geschlossen ist.
2. Weder die Fortzahlung der Mitgliedsbeiträge noch die angebotenen Ersatzleistungen können einen Leistungsaustausch begründen.
3. Soweit die Schließung im Zeitpunkt der Zahlung noch nicht absehbar war, liegt aber eine Anzahlung vor.
Normenkette
UStG §§ 1, 13, 14c, 17
Tatbestand
Streitig ist, ob es sich bei den Mitgliedsbeiträgen für ein Fitnessstudio während der Corona-Schließzeit um umsatzsteuerbare Leistungen handelt.
Der Kläger betreibt ein Fitnessstudio unter der Firma "XXX" in A im Kreis B, das während der streitigen Zeit ca. 800 Mitglieder hatte.
Die Laufzeit einer Mitgliedschaft betrug laut den Mitgliedsverträgen 12 bzw. 24 Monate. Das Studio wurde in den jeweiligen Mitgliedsverträgen ermächtigt, die monatlichen Zahlungen mittels Lastschrift einzuziehen. Nach dem Tag des Einzugs hatte das Mitglied acht Wochen Zeit, die Erstattung des belasteten Betrags zu verlangen. Anfang des Jahres 2020 wurde das Unternehmen C mit den Einzügen der Mitgliedsbeiträge beauftragt. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Mitgliedsverträge war unter anderem vorgesehen, dass das Mitglied zur "gemeinschaftlichen Mitbenutzung sämtlicher Einrichtungen der Räume des Sports Clubs" berechtigt war. Danach umfassten die Beiträge die "Mitbenutzung der Trainingsanlage und wenn vorgesehen die Teilnahme an Gymnastikstunden, die Mitbenutzung der Erholungs- und Clubräume und die Teilnahme an sportlichen und geselligen Aktivitäten". Weiter hieß es: "Der monatliche Beitrag ist im Voraus fällig und wird per SEPA-Lastschrift zum 1. eines Monats eingezogen."
Das Fitnessstudio war aufgrund der Landesverordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (vom 17. März 2020, GVOBl. Schl.-H. 2020, Bl. 158; vom 23. März 2020, GVOBl. Schl.-H. 2020, Bl. 171; vom 18. April 2020, GVOBl. Schl.-H.2020, Bl. 195; vom 1. Mai 2020, GVOBl. Schl.-H. 2020, Bl. 271) in der Zeit vom 17. März 2020 bis zum 17. Mai 2020 geschlossen.
Während dieser Zeit zahlten viele Mitglieder ihre Beiträge weiter. Der Kläger warb in einem Aushang vor Ort folgendermaßen:
"Den Zeitraum, den ihr nicht bei uns trainieren könnt, bekommt ihr, neben vielfältiger Alternativangebote, am Ende Eurer Mitgliedschaft beitragsfrei ersetzt. Diese Schließung bedeutet auch für uns eine große wirtschaftliche Herausforderung, da alle Kosten wie Gehälter, Mieten, Gerätekosten etc. von uns in vollem Umfang weitergetragen werden müssen und unser Personal auch weiterhin für euch da sein wird. Daher schon jetzt ein großes Dankeschön für euer Verständnis und eure gute Unterstützung."
In den sozialen Medien wurde mitgeteilt:
"Wichtige Corona-Mitteilung
Telefon-Hotline: Täglich 10-14 Uhr
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Weltneuheit: 3D-Körperscan Kostenlos
Geschenk: 6 X 1-Monat-Gratisgutschein
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und:
"Wir bleiben leider bis mindestens 3. Mai geschlossen. Unsere Mitglieder erhalten:
- 3 Gratis -Monate
- 3 x 1-Gratis Monat zum Verschenken
- 1 x Personal-Training"
Der Kläger bot während der Schließzeit einmal pro Tag (ohne Wochenenden) für eine Stunde einen Kurs über die Social-Media Kanäle (Facebook und Instagram) online an. Der Kurs war öffentlich zugänglich, so dass Mitglieder und Nichtmitglieder an dem Kurs teilnehmen konnten.
Während der Schließzeit verlangten einige Mitglieder eine Rücklastschrift, 761 Mitglieder bezahlten den Mitgliedsbeitrag weiter.
In den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate April und Mai 2020 erklärte der Kläger für den Betrieb des Fitnessstudios (für Mai anteilig) keine Umsätze zu 19 % und kündigte zugleich eine Berichtigung für den Voranmeldungszeitraum März 2020 an. Es seien während der behördlich angeordneten Schließzeit keine Leistungen an die Mitglieder erbracht worden. Er berechnete für März und Mai 2020 (nur) die Schließzeiten taggenau als umsatzlos anteilig aus den eingegangen Mitgliedsbeiträgen heraus.
Im Rahmen der daraufhin erfolgten Umsatzsteuersonderprüfung vertrat die Prüferin im Prüfungsbericht vom X. Juli 2021 die Ansicht, dass die Umsätze steuerbar seien. Den Mitgliedern gegenüber sei die Zusage erteilt worden, dass eine Beitragsfortzahlung zu einer Zeitgutschrift führe. Zwischen der Zahlung und der in Aussicht gestellten Leistung bestehe ein innerer Zusammenhang, der einen Leistungsaustausch begründe. Die nicht belegte, eventuell bestehende Absicht der Mitglieder, das Fitnessstudio finanziell unterstützen zu wollen, werde durch die angekündigte Leistung überlagert.
Der Kläger machte daraufhin geltend, dass die Mitgliedsbeiträge bis zum Eintritt der Verjährung zurückgefordert werden könnten. Daher seien die gezahlte...