Revision eingelegt (BFH II R 15/15)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertungsgesetz/Erbschaftsteuergesetz: Anteilsbewertung: Latente Ertragsteuern im Substanzwert oder Liquidationswert?
Leitsatz (amtlich)
1. Der am Einspruchsverfahren der Kapitalgesellschaft gegen die gesonderte Feststellung des Anteilswerts und des Werts des Verwaltungsvermögens erst mit der Einspruchsentscheidung beteiligte Erbe darf neben der Kapitalgesellschaft klagen.
2. Die Entscheidung über die Bedarfsbewertung und Verwaltungsvermögenbewertung ist unabhängig von der Umsetzung des die materiellen erbschaftsteuerlichen Folgen aus §§ 13a, 13b, 19 ErbStG betreffenden BVerfG-Urteils vom 17.12.2014 1 BvL 21/12 zu treffen.
3. Bei der Bedarfsbewertung der Anteile an einer ertraglosen Kapitalgesellschaft mit dem Substanzwert bzw. Liquidationswert werden die durch die Auflösung stiller Reserven latent zu erwartenden Ertragsteuern - entgegen der Zivilrechtsprechung und der betriebswirtschaftlichen Veräußerungsfiktion - nach BFH-Rechtsprechung wegen der Unsicherheiten zum Stichtag im Massenverfahren für erbschaftsteuerliche Zwecke nicht berücksichtigt.
4. Soweit es im Einzelfall durch die liquidationsbedingte Auflösung der stillen Reserven in der Gesamtschau (KSt, SolZ, GewSt / ErbSt / ESt, SolZ) beim Erben zu einer Übermaßbesteuerung kommt, wird dieser im gesonderten Verfahren wegen sachlicher Billigkeit durch das für die laufende Besteuerung zuständige Finanzamt abzuhelfen sein.
Normenkette
AO § 78 Nr. 2, §§ 163, 165, 179, 352, 359, 360 Abs. 3; BewG §§ 6, 9, 11, 95, 97, 99, 103, 151-155, 157; ErbStG §§ 9-12, 13b; EStG §§ 17, 35b; FGO § 40 Abs. 2, §§ 48, 74; GewStG § 7; GG Art. 3, 14; HGB §§ 249, 274; KStG § 8
Nachgehend
Tatbestand
A.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der gesonderten Feststellung des Bedarfswerts nicht notierter Kapitalgesellschafts-Anteile auf den ... 2012 für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG und bei der Feststellung des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, Abs. 2a ErbStG eine latente Steuerlast abzuziehen ist.
I.
1. Die Klägerin (zu 2) ist eine GmbH ... mit dem Unternehmens-Gegenstand Erwerb, Verwaltung und Veräußerung von Grundstücken, Erstellung von Wohnungen.
Geschäftsführer waren die Erblasserin seit ... und daneben seit ... der Kläger (zu 1), ... (Handelsregister-Auszug, Finanzgerichts-Anlagenband --FG-Anlbd.--; Finanzgerichts-Akte --FG-A-- Bl. 26).
Alleinige Gesellschafterin war seit Jahren die Erblasserin bis zu ihrem Tod am ... 2012 (Anl. 2 S. 5; Bewertungs-Akte --Bew-A-- Bl. 1, 37, 62, 85).
2. Seit Jahren verfügte die Klägerin über keinen operativen Geschäftsbetrieb mehr und bestand ihr Anlagevermögen nur aus einem von der Erblasserin bis zu ihrem Umzug in ein Alten- und Pflegeheim bewohnten Hausgrundstück, das sie bis zu ihrem Tod nicht mehr räumte und das danach nicht mehr vermietet wurde oder vermietbar war (FG-A Bl. 26, 25R, 58 f., Bew-A Bl. 4 f. = 123 f.; Grundbuchauszug und Fotos, Bew-A Bl. 8 ff., 17 ff., 125 ff.; Grundbesitzwert-Akte --GBW-A-- Bl. 9 ff., 18 ff.; Lagepläne, GBW-A Bl. 24, 45, FG-A Bl. 58 f.; Luftbild GBW-A Bl. 46).
Das Hausgrundstück wurde seit Jahren vor dem Stichtag und auch noch per Ende 2012 mit einem Buchwert von ... Euro bilanziert.
Das Umlaufvermögen setzte sich im Wesentlichen aus sechsstelligen Bankguthaben und einer fünfstelligen Forderung gegen die Erblasserin und Gesellschafterin zusammen. Das Kapital bestand an den Bilanzstichtagen ausschließlich aus Eigenkapital (Anl. 2-3; Bew-A Bl. 33 ff.).
3. Die von der Erblasserin gehaltene Beteiligung an der Klägerin ging im Wege der Erbfolge am ... 2012 auf den Kläger über (Bew-A Bl. 1; FG-A Bl. 26). Das Ausscheiden der Erblasserin als Geschäftsführerin wurde am ... 2013 eingetragen (Handelsregister-Auszug, FG-Anlbd.).
4. Am ... 2012 schätzte ein Sachverständiger einer Bausparkasse den Grundstückswert im Sachwertverfahren als Liquidationswert bei zu erwartendem Gebäudeabriss unter Anpassung aktueller Bodenrichtwerte und nach Abzug der Kosten für Abriss und Hangabstützung auf ... Euro (Bew-A Bl. 4 f. = 123 f., GBW-A Bl. 5).
5. Der Kläger als neuer Alleingesellschafter beschloss ..., den Bilanzgewinn 2012 und die Kapitalrücklage, zusammen ... Euro, an sich am ... 2013 auszuschütten (Anl. 4).
6. Mit weiterem Beschluss löste der Kläger die Klägerin per Ende ... 2014 auf und bestellte er sich als Liquidator statt Geschäftsführer (Anl. 5; Handelsregister-Auszug, FG-Anlbd.).
II.
1. Das für den letzten Wohnsitz der Erblasserin im Alten- und Pflegeheim in A erbschaftsteuerlich zuständige Finanzamt (ErbSt-FA) forderte unter dem 15. April 2013 bei dem für den eingetragenen Sitz der Klägerin an der Grundstücksadresse und ebenfalls für den Wohnsitz des Klägers in Hamburg zuständigen beklagten (Sitz-)FA eine gesonderte Feststellung des Werts der nicht notierten 100 % Kapitalgesellschafts-Anteile an der Klägerin an; und zwar gemäß § 151 Abs. 1 Nr. 3