Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Entziehung einer im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren beförderten Alkoholsendung
Leitsatz (amtlich)
Analog § 9 VwZG heilt die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Inhaltsadressaten eines Steuerbescheides einen in der falschen Adressierung liegenden Bekanntgabemangel.
Zu der Frage, wodurch eine im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren beförderte Alkoholsendung dem Steueraussetzungsverfahren entzogen wird. Hier: Angabe eines Empfängers (ein Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat) bei der Zollanmeldung, zu dem die Ware jedoch nie gelangen sollte und Beförderung der Ware mit der inhaltlich unrichtigen Versandanmeldung.
Zur Frage der Zuständigkeit für die Abgabenerhebung.
Normenkette
VwZG § 9; BranntwMonG § 143
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte von der Firma A GmbH & Co. KG, zu Recht Branntweinsteuer in Höhe von 10.339.745,10 DM angefordert hat.
Eine Außenprüfung bei der A GmbH & Co. KG ergab, dass von ihr im Steueraussetzungsverfahren 79 Sendungen Branntwein - 405.480,20 l Alkohol - im Zeitraum von Juli bis September 1999 an die englische Firma B Ltd., ... zur Aufnahme in das Steuerlager dieser Firma versandt worden waren (Prüfungsbericht vom 28.11.2000 AB-Nr. ... - D 1, Tz. 20, 21.4). Der Versand erfolgte über die vom Käufer beauftragte belgische Spedition F. Nach den zollamtlichen Ermittlungen wurden die Erzeugnisse nicht in das Steuerlager der vorgenannten Firma aufgenommen. Nach den Ermittlungsergebnissen, insbesondere den Zeugenaussagen der beteiligten Lkw-Fahrer wurden die Alkoholsendungen an verschiedenen Lagerplätzen in Großbritannien abgeladen. Die auf den Rückscheinen angebrachten Erledigungsstempel waren gefälscht.
Mit Beschluss vom 2.3.2001 bestellte das Amtsgericht N den Rechtsanwalt Dr. H in dem Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen der A GmbH & Co. KG zum vorläufigen Insolvenzverwalter.
Mit Steuerbescheid vom 28.3.2001 forderte der Beklagte für 405.480,20 l Alkohol Branntweinsteuer in Höhe von 10.339.745,10 DM an. Der Steuerbescheid war an den Rechtsanwalt Dr. H "als Insolvenzverwalter der Firma ... (A) GmbH & Co. KG" gerichtet.
Die A GmbH & Co. KG, vertreten durch die Treuhand-KG, ..., legte dagegen am 24.4.2001 Einspruch ein.
Mit Beschluss vom 17.5.2001 eröffnete das Amtsgericht N das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma A GmbH & Co. KG und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Den Einspruch wies der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 10.5.2005 als unbegründet zurück.
Mit seiner am 30.5.2005 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zunächst rügt er, dass der Steuerbescheid vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihm als dem vorläufigen Insolvenzverwalter, der nicht allgemeiner Vertreter der Schuldnerin gewesen sei, und nicht der Firma A GmbH & Co. KG bekannt gegeben worden sei. Er trägt weiter vor, für eine Inanspruchnahme der Firma A GmbH & Co. KG als Steuerschuldnerin gebe es keine Rechtsgrundlage. Nach § 143 Abs. 3 Nr. 1 BranntwMonG könne sie nicht in Anspruch genommen werden. Denn sie habe den erforderlichen Nachweis dadurch geführt, dass sie die Verwaltungsdokumente für die fraglichen Lieferungen mit den dazugehörigen Rückscheinen und Stempeln erhalten habe. Sie habe nicht erkennen können, dass diese Nachweise gefälscht gewesen seien. Gegen ihre Inanspruchnahme spreche des Weiteren die Vorschrift des § 143 Abs. 2 BranntwMonG. Nach dieser Bestimmung gelte die Ware nur dann als im Steuergebiet dem Steueraussetzungsverfahren entzogen, wenn nicht ermittelt werden könne, wo die Erzeugnisse tatsächlich entzogen worden seien. Nach den Ermittlungen der Zollfahndung stehe aber fest, dass die Ware erst in Belgien widerrechtlich umgeschlagen worden sei. Ein Teil der Ware sei später in Schweden aufgetaucht. Sicher sei, dass die Ware nicht in Deutschland umgeschlagen worden sei. § 143 Abs. 1 BranntwMonG greife nicht, da die vom Beklagten als maßgeblich angesehenen Entziehungshandlungen nicht während, sondern vor der Beförderung stattgefunden hätten.
Der Kläger beantragt,
den Steuerbescheid vom 28.3.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.5.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Steuerbescheid sei formell rechtmäßig, da aus seinem Inhalt hervorginge, dass die Firma A GmbH & Co. KG als Schuldnerin der Branntweinsteuer bestimmt gewesen sei und diese den Bescheid auch tatsächlich erhalten habe, was daraus folge, dass sie Einspruch eingelegt habe. Die Einspruchsentscheidung sei dann dem richtigen Adressaten zugestellt worden. Insoweit sei ein Bekanntgabemangel geheilt.
Die Erzeugnisse seien während der Beförderung im Steuergebiet dem Steueraussetzungsverfahren entzogen worden, da bereits bei der Ausfertigung des jeweiligen begleitenden Verwaltungsdokuments festgestanden habe, dass die Erzeugnisse nicht in das dort genannte Steuerlager in Großbritannien gelangen sollten, und der Transport mit diesen Verwaltungsdokumenten durchgeführt word...