Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Rechtsmissbräuchlichkeit des sog. Zwei-Stufen-Modells
Leitsatz (amtlich)
Ist die zeitlich gestufte Aufnahme eines Sozius in eine freiberufliche Einzelpraxis (sog. Zwei-Stufen-Modell) gegen eine Ausgleichszahlung an den Inhaber der Einzelpraxis als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 42 AO anzusehen, so ist der aus der Aufnahme des Partners resultierende Gewinn im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Veräußernden für das Jahr anzusetzen, in dem die erste Stufe der Aufnahme vereinbart wurde.
Normenkette
AO § 42; EStG § 18 Abs. 3 S. 1, § 16 Abs. 4, § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein durch den Kläger zu 2. erzielter Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Zahnarztpraxis als laufender oder als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn zu versteuern ist.
Die Klägerin zu 1., die eine Zahnarztpraxis betreibt und ihren Gewinn durch Bilanzierung ermittelt, besteht aus dem Kläger zu 2. und seinem Sohn, Herrn A. Bis zum 31.03.1997 betrieb der Kläger zu 2. die Praxis als Einzelpraxis. Herr A war dort als Ausbildungsassistent beschäftigt. Mit Vertrag vom 26.03.1997 übertrug der Kläger zu 2. seinem Sohn schenkweise einen Anteil von 5 % an der Praxis und gründete mit ihm gleichzeitig eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Wirkung zum 01.04.1997. In diese Gesellschaft brachte der Kläger zu 2. alle zur bis dahin bestehenden Einzelpraxis gehörenden Wirtschaftsgüter zu Buchwerten ein. Der Vertrag enthielt u.a. folgende Bestimmungen:
" § 3 Abs. 8: Die Gesellschafter behalten sich vor, zu einem späteren Zeitpunkt - frühestens 12 Monate nach Aufnahme der gemeinsamen Tätigkeit - die Beteiligungsverhältnisse neu zu ordnen. Soweit hierbei der Anteil eines Gesellschafters zu Lasten des Anteils des anderen Gesellschafters aufgestockt wird, schuldet der begünstigte Gesellschafter dem andern eine Ausgleichszahlung. Diese berechnet sich dann, wenn dies vor Ablauf von 24 Monaten seit Aufnahme der gemeinsamen Tätigkeit durchgeführt wird, nach den Werten gemäß Absatz 3 dieses Paragraphen. Veränderungen im Goodwill oder im Sachanlagevermögen sind nicht zu berücksichtigen. Herr ... (A) bietet Herrn Dr. ... (B) bereits jetzt verbindlich an, von dessen Anteil soviel zu übernehmen, dass beide Gesellschafter zu gleichen Teilen beteiligt sind. Falls Herr ... (A) dies wünscht, wird Herr Dr. ... (B) ihm auch eine höhere Beteiligung anbieten. "
Gem. § 5 Abs. 11 des Vertrages sollte dem Kläger zu 2. in den ersten 12 Monaten des Bestehens der Gesellschaft das Letztentscheidungsrecht zustehen. Der Gewinn sollte gemäß § 9 Abs. 4 zu gleichen Teilen verteilt werden. Nach § 14 Abs. 2 war jeder Vertragspartner berechtigt, den Gesellschaftsvertrag mit einer Frist von 9 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres im Wege der ordentlichen Kündigung zu kündigen. Weiter hieß es in dieser Bestimmung:
"Abweichend von den vorstehenden Regelungen zur Kündigung und zur Fortführung nach Kündigung gilt für die ersten 12 Monate der Zusammenarbeit und des Bestehens dieses Vertrages bei einer Kündigung - gleich aus welchem Grund und gleich von wem erklärt - immer, dass Herr Dr. ... (B) das Recht hat, die Praxis mit allen Rechten und Pflichten fortzuführen, unbeschadet des Rechts von Herrn ... (A), die von ihm eingebrachten Wirtschaftsgüter wieder zu entnehmen. Ebenso gilt in diesen Monaten eine verkürzte Kündigungsfrist von 4 Monaten zum Quartalsende."
Auf den übrigen Inhalt des Vertrages wird Bezug genommen (FGA Bl. 46 ff.).
Mit Vertrag vom 15.05.1998 (FGA Bl. 66 ff.) veräußerte der Kläger zu 2. Herrn A einen Anteil von 90 % an der Gesellschaft mit Wirkung zum 30.06.1998 gegen eine an den Kläger zu 2. zu leistende Ausgleichszahlung von DM 950.000,-. Aus dieser Veräußerung resultierte für den Kläger zu 2. unstreitig ein Gewinn in Höhe von DM 896.584,-.
Mit an die Klägerin zu 1. gerichtetem Bescheid vom 19.06.2001 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1998 stellte der Beklagte zunächst erklärungsgemäß laufende Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von DM 422.550,- und einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn von DM 896.584,- fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Jahr 2002 führte der Beklagte eine Außenprüfung bei der Klägerin zu 1. durch. Er kam dabei zu der Auffassung, dass ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliege und die beiden Veräußerungen tatsächlich einen einheitlichen Vorgang darstellten, nämlich die entgeltliche Aufnahme eines Sozius in eine Einzelpraxis, die nicht als steuerbegünstigte Veräußerung zu behandeln sei (vgl. Tz. 2 des Betriebsprüfungsberichtes vom 13.02.2003, Betriebsprüfungsakten - BpA - Bl. 17 f.). Der Beklagte erließ daraufhin am 26.02.2003 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Feststellungsbescheid, in dem unter Einbeziehung des Veräußerungsgewinns laufende Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von DM 1.319.134,- festgesetzt wurden. Der Vorbehalt der Na...