rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustellung eines Steuerbescheides im Ausland

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an eine Zustellungsbescheinigung nach § 14 Abs. 4 VwZG a.F. (= § 14 Abs. 3 VwZG n.F.)

2. Der fehlende Hinweis auf die Möglichkeit der fristwahrenden Einspruchseinlegung in einer fremden Sprache (§ 87 Abs. 4 AO) macht die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig.

3. Ist die dem Steuerbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung nur in deutscher Sprache abgefasst, wird die einmonatige Einspruchsfrist auch dann ausgelöst, wenn der Adressat des Bescheides der deutschen Sprache nicht mächtig ist.

4. Mangelnde Sprachkenntnisse des Adressaten sind bei der Prüfung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu prüfen.

 

Normenkette

AO § 87 Abs. 1, 4, § 110 Abs. 1, § 356 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Steuerbescheid des beklagten Hauptzollamtes, mit dem er zur Entrichtung von Einfuhrabgaben für unversteuerte und unverzollte Zigaretten herangezogen wird.

Der Kläger ist litauischer Staatsangehöriger. Mit Steuerbescheid vom 31.8.1999 setzte das Hauptzollamt H gegenüber dem Kläger als Gesamtschuldner mit A, B, C, D und E Einfuhrabgaben (Zoll, Tabak- und Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von insgesamt DM 266.115,87 fest. Zur Begründung führte das Hauptzollamt H aus: Der litauische Staatsangehörige A habe mit einem in Litauen zugelassenen Lastzug am 7.9.1998 insgesamt 9.072 Stangen Zigaretten über das Zollamt Frankfurt/Oder versteckt in Holzbunden unter Verletzung seiner Gestellungspflicht in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht. Da der Kläger den Einfuhrschmuggel sowie die beabsichtigte Lagerung und den Absatz der Zigaretten organisiert habe, hafte er als Zollschuldner für die entstandene Einfuhrzollschuld. Dem Steuerbescheid war eine in deutscher Sprache abgefasste Rechtsbehelfsbelehrung beigegeben, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 8.9.1999 ersuchte das Hauptzollamt H die litauischen Behörden unter Bezugnahme auf das Protokoll Nr. 5 über Amtshilfe im Zollbereich des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Republik Litauen andererseits (ABl. Nr. L 51/3 vom 20.2.1998, im Folgenden: Protokoll Nr. 5), den Steuerbescheid vom 31.8.1999 im Wege der Amtshilfe an den Kläger zuzustellen. Mit Schreiben vom 15.11.1998 teilte das Zollkriminalamt dem Hauptzollamt H in der Folgezeit mit, dass der Steuerbescheid vom 31.8.1999 zugestellt worden sei. Als Zustellungsnachweis fügte es diesem Schreiben eine Kopie des Steuerbescheides vom 31.8.1999 bei, auf der sich eine handschriftliche Notiz in litauischer Sprache befindet.

Am 21.9.2000 ging beim Hauptzollamt H ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers ein, in dem es u.a. heißt: Das Verfahren hinsichtlich der Brüder K (Kläger), B und C sei gemäß § 153 Abs. 2 StPO erledigt worden. Sie - die Prozessbevollmächtigten - regten deshalb an, die Haftungsbescheide aufzuheben. Rein vorsorglich legten sie außerdem Einspruch ein und beantragten insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Abgabenbescheid sei nicht in einer für ihren Mandanten verständlichen Sprache, sondern in der Amtssprache deutsch übermittelt worden. Da ihr Mandant der deutschen Sprache nicht mächtig sei, habe er die Rechtsmittelbelehrung nicht verstehen können. Ihm sei deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Das beklagte Hauptzollamt verwarf den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 2.11.2000 als unzulässig. Zur Begründung gab es im Wesentlichen an: Der Einspruch sei verfristet, weil der Kläger die Einspruchsfrist des § 355 AO versäumt habe. Der Kläger habe den Empfang des Steuerbescheides vom 31.8.1999 am 19.10.1999 quittiert, damit sei ihm der Steuerbescheid am 19.10.1999 bekannt gegeben worden. Der Einspruch des Klägers sei indes erst am 21.9.2000 und somit 10 Monate nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist am 19.11.1999 eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne dem Kläger nicht gewährt werden, denn er sei nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Einspruchsfrist einzuhalten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung handele ein Beteiligter, der der deutschen Sprache nicht mächtig sei, schuldhaft, wenn er sich im Hinblick auf einen für ihn nicht verständlichen Steuerbescheid nicht in angemessener Zeit eine Übersetzung beschaffe oder den Steuerbescheid nicht einem Bevollmächtigten übergebe. Im Streitfall habe sich der Kläger offensichtlich überhaupt nicht um die Angelegenheit gekümmert. Sein Prozessbevollmächtigter habe nämlich erst nach knapp einem Jahr mehr oder weniger zufällig am Rande eines Gerichtstermins von dem Erlass des Steuerbescheides erfahren. - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 2.11.2000, die am 10.11.2000 zur Post gegeben worden ist, verwiesen.

Mit seiner am 13.12.2000 erhobenen Klage verfolgt der Klä...

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