Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer: Zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums beim Handel mit Aktien
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Aktien, die durch eine Wertpapiersammelbank verwahrt werden, erfolgt die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums mit der schuldrechtlichen Vereinbarung und der Gutschrift für das Wertpapierdepot des Käufers. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, an dem die mit Wertpapieren verbundenen Kursrisiken und -chancen auf den Erwerber übergehen und nach den üblichen Abläufen beim OTC-Handel die mit den erworbenen Aktien verbundenen Gewinnansprüche regelmäßig nicht mehr entzogen werden können.
2. Einem Wertpapierleihgeschäft liegt zivilrechtlich ein Vertrag über ein Sachdarlehen (§§ 607 ff. BGB) zugrunde. Das wirtschaftliche Eigentum an verliehenen Wertpapieren geht im Fall girosammelverwahrter Aktien mit der schuldrechtlichen Vereinbarung über die Wertpapierleihe und der Gutschrift im Depot des Entleihers über.
Normenkette
AO §§ 39, 155 Abs. 1 S. 3; KStG § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 31 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, 1 S. 1, § 36 Abs. 2 Nr. 2, § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1 S. 1; HGB § 6 Abs. 1, §§ 238, 240, 242, 242 Abs. 1; AktG § 174; DepotG § 1 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 453, 433, 598, 607 ff., § 929 ff.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Zurechnung von Dividendenerträgen und über die Anrechnung von Kapitalertragsteuern.
Die Klägerin wurde mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründet und am ... 2008 in das Handelsregister bei dem Amtsgericht A unter der Firma B. ... Verwaltungsgesellschaft mbH (HRB ...) eingetragen. Mit Beschlüssen der Gesellschafterversammlung vom 25.04.2008 und vom 07.05.2008 wurde die Neufassung des Gesellschaftsvertrages beschlossen, insbesondere in den §§ 1 (Firma) und 2 (Gegenstand). Danach ist Gegenstand des Unternehmens die Begründung und das Halten von Beteiligungen an Gesellschaften im In- und Ausland jedweder Art und die Verwaltung eigenen Vermögens, ferner der Handel mit Finanzinstrumenten auf eigene Rechnung. Das Unternehmen darf diesbezüglich Absicherungsmaßnahmen durchführen. Die Begründung und das Halten von Beteiligungen und der Handel mit Finanzinstrumenten dürfen fremdfinanziert erfolgen. Die Gesellschaft ist berechtigt, Zweigniederlassungen im In- und Ausland zu errichten und zu unterhalten. Zum Geschäftsführer wurde Herr Dr. ... C bestellt. Die Klägerin beschäftigt keine weiteren Arbeitnehmer.
Die Klägerin ist ein Finanzunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 3 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG), § 8b Abs. 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), das Aktien mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erwirbt und wieder veräußert.
Im Streitjahr erwarb die Klägerin jeweils am Tag vor dem Dividendenstichtag (Tag der Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Ausschüttung) dividendenberechtigte Aktien ("cum Dividende").
Die Klägerin kaufte die Aktien über eine in D, England, ansässige Brokergesellschaft, die E Ltd. ("E"). Die Transaktionen erfolgten im außerbörslichen Handel (OTC). Zu den Erwerbszeitpunkten befanden sich die Aktien in Depots des französischen F S.A. (Settlement Location).
Auf der Grundlage von mit der in D, England, ansässigen G Ltd. ("G") abgeschlossenen Verträgen - Global Master Securities Lending Agreement (Rahmenvertrag über Wertpapierleihe - WpL-Rahmenvertrag -) vom ... 2008, "H" - 2002 Master Agreement (Rahmenvertrag der Internationalen Vereinigung von Swap- und Devisenhändlern - Swap-Rahmenvertrag -) vom ... 2008 Loan Agreement (Darlehensvertrag), Custody Agreement (Verwahrungsvertrag) vom ... 2008, Security and Set-Off-Deed (Wertpapier- und Aufrechnungsurkunde) vom ... 2008, "H" Schedule (Ablaufplan) to the 2002 Master Agreement vom ... 2008 und Credit Support Annex (Kreditsicherungsanhang) to the "H" Master Agreement vom ... 2008 - tätigte die Klägerin Wertpapierleih- und (Total Return) Swap-Geschäfte.
In Ausübung des Rahmenvertrags über die Wertpapierleihe vom ...2008 (Global Master Securities Lending Agreement) verpflichtete sich die Klägerin am jeweiligen Tag des Gewinnverwendungsbeschlusses, der G die erworbenen Aktien darlehensweise zu überlassen. Übertragen wurden die Wertpapiere zu vollem Eigentum und zur freien Verfügung mit der Maßgabe, dass Wertpapiere gleicher Art und mit gleichem Nominalwert ("Equivalent Securities") zurückzugeben seien (Abschnitt 4 i. V. m. Abschnitt 2.1 WpL-Rahmenvertrag). Zugleich vereinbarten die Vertragsparteien als Tag der Hingabe der Wertpapiere (Loan Date) sowie als Abrechnungstag (Settlement Date) den jeweiligen Tag der Auszahlung der Dividenden.
Die G war als Entleiher verpflichtet, der Klägerin zeitgleich mit der Wertpapierleihe und spätestens zum Handelsschluss des Abrechnungstages (Settlement Date) den an sie verliehenen Wertpapieren entsprechende Sicherheiten zu gewähren (Abschnitt 5 WpL-Rahmenvertrag); die Zahlung dieser Barsicherheit sollte automati...