Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrung der Festsetzungsfrist durch rechtzeitige Zustellung, deren Mangel erst nach Fristablauf geheilt wird
Leitsatz (amtlich)
Als Angabe der Geschäftsnummer bei einer Postzustellung nach § 3 VwZG kann im Einzelfall genügen, dass ein Einkommensteuerbescheid neben der Steuernummer mit dem Kürzel "ESt" sowie der Angabe der letzten beiden Ziffern der Jahreszahl bezeichnet wird.
Hat der Empfänger einer Zustellung besondere Sachkunde, so ist dies bei der Frage, ob der Empfänger die Sendung eindeutig einem Vorgang zuordnen kann, zu berücksichtigen.
Soweit in einer Sendung mehrere Schriftstücke zugestellt werden, ist die hinreichende Bezeichnung für jedes der Schriftstücke zu prüfen.
Für die Wahrung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO ist es unschädlich, wenn die Zustellung des Steuerbescheids formell mangelhaft war, sofern der Mangel - gegebenenfalls nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist - geheilt wird.
Normenkette
AO § 122 Abs. 5, § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1; VwZG § 3
Nachgehend
Tatbestand
Nachdem die Kläger die Klage hinsichtlich der Bescheide für das Jahr 2000 zurück genommen haben, ist streitgegenständlich nur noch die Einkommensteuer für das Jahr 1999. Die Beteiligten streiten insoweit darüber, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
I.
1. Die Einkommensteuererklärung der Kläger - der Kläger ist Steuerberater, die Klägerin ist Rechtsanwältin von Beruf - für das Jahr 1999 ist bei dem Beklagten am 20. April 2001 eingegangen (Einkommensteuerakte - EStA - Band XII Bl. 5).
2. Für die Vorjahre waren auf die Einkommensteuererklärungen der Kläger jeweils ein Einkommensteuerbescheid und ein Bescheid über die gesonderten Feststellungen des Verlustvortrags für das entsprechende Jahr ergangen. Auch für die letzten Vorjahre ist jeweils über die rechtzeitige Bekanntgabe der Bescheide gestritten worden (so für 1996 und 1997: Finanzgericht - FG - Hamburg 3 K 57/05; für 1998: FG Hamburg 3 K 97/08, dabei ging es über einen Bescheid vom 17. Dezember 2004, in dem die Einkommensteuer auf Null festgesetzt worden war).
3. Der Beklagte hat unter dem Datum des 13. Dezember 2005 für das Jahr 1999 einen Einkommensteuerbescheid erstellt (Rechtsbehelfsakte - RbA - Bl. 7). Die Einkommensteuer wurde darin auf EUR 45.498,846 festgesetzt. Der Beklagte hat - ebenfalls mit dem Datum 13. Dezember 2005 (RbA Bl. 11) -einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1999 erstellt, in dem der verbleibende Verlustvortrag für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Klägers auf DM 126.641 und für die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb auf DM 25.457 festgestellt wurden.
4.
a) Der Beklagte hat für eine Zustellung dieser beiden Bescheide sowie zwei weitere am selben Tag erstellte Bescheide, nämlich den Einkommensteuerbescheid 2000 sowie den Bescheid über die gesonderten Feststellungen des Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2000, zwei Postzustellungsaufträge erteilt und zwar zum einen unter Anschrift des Klägers und zum anderen unter einer davon abweichenden Anschrift der Klägerin.
b) Ausweislich der Postzustellungsurkunden sind die zuzustellenden Dokumente in den zur jeweiligen Anschrift gehörenden Empfangsvorrichtungen hinterlegt worden, weil die Übergabe nicht möglich war, und zwar für den Kläger am 14. Dezember und für die Klägerin am 16. Dezember 2005. Die Postzustellungsurkunden enthalten im Hinblick auf den Inhalt der Sendungen außer der Angabe der Steuernummer nur den Zusatz "ESt 99/00".
II.
1. Die Kläger haben mit Schreiben vom 05. Januar 2006, beim Beklagten eingegangen am 06. Januar 2006, Einspruch erhoben. Sie begründeten ihren Einspruch zum einen damit, dass § 2 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) wegen Verfassungswidrigkeit nicht anzuwenden sei, und zum anderen mit der Nichtberücksichtigung eines Verlustes nach § 17 EStG. Außerdem wurde eine geänderte Gewinnfeststellung hinsichtlich der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers beantragt und eine Sonderabschreibung für ein Vermietungsobjekt.
2. Der Beklagte teilte im Hinblick auf die Verfassungsfrage das Ruhen des Einspruchsverfahrens mit und entsprach im Übrigen den gestellten Anträgen mit Änderungsbescheid vom 21. Februar 2006.
3. In ihrem Schreiben vom 10. April 2006 führten die Kläger aus: Der Einkommensteuerbescheid sei der Klägerin am 14. Dezember 2005 zugestellt worden und es sei daraufhin am 22. Dezember 2005 Einspruch eingelegt worden. Der Kläger, der im Urlaub gewesen sei, habe den Briefumschlag mit den Steuerbescheiden jedoch erst am "03. oder 04.01.2006" von seinem Sohn ausgehändigt erhalten, als bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Kläger stellten den Antrag, nach § 268 AO die Vollstreckung wegen der Steuern aus den Steuerbescheiden auf den Betrag zu beschränken, der sich nach Maßgabe der §§ 269 bis 278 Abgabenordnung (AO) bei ...