Entscheidungsstichwort (Thema)

"Beziehen" einer Ware setzt tatsächliche Sachherrschaft voraus

 

Leitsatz (amtlich)

Bezieher im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG ist, zu wem das Erzeugnis physisch verbracht wird, so dass er den Gewahrsam, also tatsächliche Sachherrschaft, erlangt.

 

Normenkette

AMG § 2 Abs. 1-2, § 13 Abs. 1; BranntwMonG § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 132 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4, § 139 Abs. 1, § 140 Abs. 1 Nr. 1, § 141 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2; BrStV § 41 Abs. 8

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Branntweinsteuerbescheid, der Vorgänge des Jahres 2006 besteuert.

  1. Das Unternehmen der Klägerin vertreibt Gesundheitsprodukte, die es nicht selbst herstellt, sondern von anderen für sich produzieren lässt - soweit es für diesen Fall von Bedeutung ist, durch die A AG (A) in deren Betriebsstätte "Werk B".

    a) Die Klägerin und A sind insoweit durch zwei Verträge miteinander verbunden, nämlich durch einen "Kooperationsvertrag" vom 17. Dezember 2002 (Bl. 99-108 der Akte des Beklagten) und einen "Herstellungs- und Verantwortungsabgrenzungsvertrag" vom 13. September 2004 (Bl. 109-137). Wesentlicher Inhalt der Verträge ist, dass A für die Klägerin Arzneimittel nach Herstellungsvorschriften produziert, die die Klägerin entsprechend den ihr erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassungen vorgibt, und diese Produkte dann zu einem vereinbarten Preis an die Klägerin liefert. Die erforderlichen Rohstoffe stellt die Klägerin A kostenlos und rechtzeitig auf Anforderung zur Verfügung. Teilweise nahm A die entsprechenden Bestellungen vor.

    b) A war die Erlaubnis nach dem Arzneimittelgesetz für die Herstellung der Arzneien und zur steuerfreien Verwendung von Branntwein nach § 139 Abs. 1, § 132 Abs. 1 Nr. 1 BranntwMonG erteilt worden. Diese Erlaubnis berechtigt neben der steuerfreien Verwendung von Branntwein und branntweinhaltigen Waren (im Folgenden: Erzeugnisse) zur Herstellung von Arzneimitteln auch zum Bezug der Erzeugnisse unter Steueraussetzung aus einem Steuerlager im Steuergebiet nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 BranntwMonG.

    Eine Zulassung als so genannter berechtigter Empfänger (nach § 141 Abs. 3 BranntwMonG), die zum Bezug der Erzeugnisse unter Steueraussetzung aus anderen Mitgliedstaaten berechtigt, besaß A im streitigen Zeitraum 2006 nicht.

    c) Die Klägerin selbst hatte im Streitjahr eine arzneimittelrechtliche Erlaubnis lediglich für das Umfüllen, Abpacken und Kennzeichnen von Arzneimitteln.

    Die Klägerin hatte auf dem Betriebsgelände der A AG einen Raum angemietet und ihr Firmenschild am Eingang angebracht.

  2. Im vorliegenden Verfahren geht es um die Branntweinsteuer für Substanzen, die - entsprechend dem Inhalt der der Klägerin gewährten arzneimittelrechtlichen Herstellungserlaubnisse - von A für die Herstellung von medizinischer Arnikasalbe, Spitzwegerich-Hustensirup, medizinischem Kamillenkonzentrat und Fußpilzprophylaxe-Spray (im Folgenden: Produkte) für die Klägerin eingesetzt worden waren.

    Bei den Substanzen handelt sich um jeweils unter Verwendung von unvergälltem Ethanol hergestellte Arnikatinktur, Spitzwegerichkraut-Fluidextrakt, Kamillenfluidextrakt, Brennnessel-Urtinktur.

  3. Hergestellt wurden die Substanzen auf Bestellung in Italien bei einer Firma "C". C hatte gegenüber der Klägerin nachzuweisen und zu gewährleisten, dass die Substanzen die von ihr vorgegebenen arzneimittelrechtlichen Spezifikationen erfüllten. C war im Besitz einer Erlaubnis als Steuerlagerinhaber.

    Den Transport der Substanzen wurde von C in eigenem Namen auf eigene Rechnung an das Werk B von A veranlasst. In den Bestellungen der Klägerin war diese Adresse angegeben worden; zum Teil mit der Firmenbezeichnung der Klägerin, zum Teil mit A's Firma "Werk B". Die Lieferung erfolgte im Streitzeitraum ohne verbrauchsteuerrechtliche Begleitpapiere.

  4. Das HZA hat für die im Jahr 2006 so gelieferten Substanzen mit Bescheid vom 2. März 2007 Branntweinsteuern in Höhe von EUR 584.033,26 festgesetzt.

    Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 14. März 2007 Einspruch.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 4. September 2009 hat der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. In der Begründung der Einspruchsentscheidung führt der Beklagte u.a. aus, die Klägerin sei Bezieherin der Substanzen gewesen. Wegen ihres Inhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

  5. Die Klägerin stellte gegenüber dem Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ohne Sicherheitsleistung, dem es mit Beschluss vom 2. Oktober 2009 (4 V 212/09) mit der Begründung entsprochen hat, dass für die Substanzen zwar Branntweinsteuer gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entstanden sei, die Klägerin aber keinen tatsächlichen Gewahrsam an den Substanzen erlangt habe und damit nicht Empfängerin der Substanzen gewesen sei und somit nicht Steuerschuldner. Wegen des Inhalts des Beschlusses wird Bezug genommen.
  6. Die Klägerin hat am 30. September 2009 Klage erhoben.

    Die Klägerin meint, weder sei eine Steuer nach § 144 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG entstanden noc...

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