Entscheidungsstichwort (Thema)
AO-Verfahrensrecht in Zollsachen: Billigkeitserlass von Aussetzungszinsen und Säumniszuschlägen
Leitsatz (amtlich)
Der spätere Erlass von Einfuhrabgaben nach Art. 239 Zollkodex begründet keinen Anspruch auf Billigkeitserlass von bis dahin entstandenen Aussetzungszinsen und Säumniszuschlägen.
Normenkette
ZK Art. 232 Abs. 2 Buchst. a), Art. 239; AO §§ 227, 234 Abs. 2, § 237 Abs. 1 S. 1, Abs. 4-5, § 240 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin begehrt den Erlass von Aussetzungszinsen und Säumniszuschlägen.
I.
Die Klägerin ließ in den Jahren 1998 und 1999 mehrere Sendungen Bananen aus Ecuador unter Inanspruchnahme einer spanischen Lizenz und eines Kontingentzollsatzes zum freien Verkehr abfertigen.
1. In der Folge von zollamtlichen Untersuchungen erhob der Beklagte am 04.07.2001 mit einem Steueränderungsbescheid über umgerechnet rund EUR 706.000 die Differenz zwischen dem gewährten Kontingentzollsatz und dem Drittlandszollsatz nach, weil die von der Klägerin für die streitgegenständlichen Einfuhren verwendeten Lizenzen ge- oder verfälscht gewesen seien. Der Betrag wurde mit weiterem Änderungsbescheid vom 17.08.2001 relativ geringfügig auf umgerechnet rund EUR 699.000 herabgesetzt.
Der Einspruch der Klägerin vom 25.07.2001 und ihre auf die Einspruchsentscheidung vom 25.07.2002 erhobene Klage blieben letztlich erfolglos. Mit Urteil vom 30.08.2005 hatte das FG Hamburg (Az. IV 337/02) der Klage zwar zunächst stattgegeben und den Abgabenbescheid aufgehoben. Der Bundesfinanzhof ließ auf die daraufhin vom Beklagten erhobene Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 29.05.2006 (Az. VII B 245/05) die Revision zu und mit Urteil vom 22.04.2008 (Az. VII R 29/06) hob er das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. In dem Revisionsurteil heißt es u. a.:
"... das spanische Wirtschaftsministerium hat auf die Anfrage geantwortet, dass keine der hier vorgelegten Einfuhrlizenzen von dieser Verwaltungseinheit ausgestellt worden sei. Soweit die Klägerin meint, dass dieses Schreiben offen lasse, ob evtl. eine andere Stelle des Ministeriums die Lizenzen ausgestellt habe, und es keine Aussage enthalte, ob es sich bei den vorgelegten Lizenzen um Fälschungen handele, kann dem nicht gefolgt werden. Auch sind seitens der Klägerin vorgebrachte Bedenken, ob nicht evtl. vom spanischen Wirtschaftsministerium verschleiert werden soll, dass die fraglichen Lizenzen aus seinem Haus stammen, jedoch unter Verstoß gegen die marktordnungsrechtlichen Vorschriften ausgestellt worden sind, nicht bewiesene Spekulationen, die letztlich auch nichts daran ändern, dass die für die Erteilung von Einfuhrlizenzen für Bananen zuständige spanische Stelle erklärt hat, die im Fall der Klägerin streitigen Lizenzen nicht ausgestellt zu haben. Sind aber die spanischen Einfuhrlizenzen nicht von der zuständigen Stelle erteilt, sondern von einem unbekannten Dritten ausgestellt worden, so können sie nicht als gültig angesehen werden."
2. Den ebenfalls bereits am 25.07.2001 gestellten Antrag der Klägerin auf Erlass der Abgabenforderung gemäß Art. 239 Zollkodex (ZK) beschied der Beklagte am 11.06.2010 zunächst abschlägig. Im Einspruchsverfahren erließ er dann jedoch durch Bescheid vom 28.07.2010 den gesamten Betrag aus Billigkeitsgründen.
3. Bei Erhebung ihres Einspruchs gegen den Steueränderungsbescheid hatte die Klägerin Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt, die ihr am 17.10.2001 zunächst ohne Sicherheitsleistung bis einen Monat nach der Einspruchsentscheidung im Hauptsacheverfahren gewährt worden war. Am 20.08.2002 wurde ihr Fortgewährung der AdV für das Klageverfahren gewährt, allerdings gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000, die vom Beklagten am 08.07.2003 in Form einer Bürgschaftsurkunde angenommen wurde.
Nachdem der Beklagte die Klägerin per 05.03.2008 zur Zahlung des Abgabenbetrags aufgefordert hatte, beantragte die Klägerin erfolglos weitere AdV. Ihren gegenüber dem Bundesfinanzhof gestellten Antrag nahm sie jedoch zurück, nachdem der Bundesfinanzhof die Klage abgewiesen hatte.
II.
1. Mit Bescheid vom 04.06.2008 forderte der Beklagte Aussetzungszinsen (auf den Abgabenbetrag von rund EUR 699.000) in Höhe von EUR 202.739 für die Zeit vom 25.07.2001 bis zum 08.06.2006, dem Tag, an dem der BFH-Beschluss vom 29.05.2006 über die Zulassung der Revision zugestellt worden war. Nach Einspruchszurückweisung wurde der Bescheid bestandskräftig.
2. Mit Schreiben vom 18.06.2008 beantragte die Klägerin Erlass der Aussetzungszinsen, was der Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2011 ablehnte. Die Klägerin legte fristgerecht Einspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass sich aus den zum Erlass der Hauptforderung führenden Billigkeitsgründen auch die Unbilligkeit der Aussetzungszinsen ergebe. Im Übrigen machte die Klägerin geltend, die Erlassentscheidung in der Hauptsache hätte zu einem viel früheren Zeitpunkt erfolgen können, wenn - was mit einer vom Bundesministerium der Finanzen zu treffenden Ausnahmeregelung möglich gewesen wäre - ...