Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerte Klagefrist bei Klage gegen Verlustfeststellungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
Enthält der am selben Tag mit einem ESt-Bescheid über 0,- DM ergangene Verlustfeststellungsbescheid eine zutreffende Belehrung, kann sich die Klagefrist nicht gemäß § 55 FGO verlängern. Ein Irrtum des Verfahrensbevollmächtigten über die zutreffende Klage - Verlustfeststellungsbescheid statt ESt-Bescheid - rechtfertigt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Normenkette
FGO § 55; EStG § 10d
Tatbestand
Streitig ist in formeller Hinsicht, ob fristgerecht Klage erhoben worden ist; in materieller Hinsicht war streitig, ob Ausbildungskosten zum Erwerb der Lizenz als Verkehrsflugzeugführer zum Werbungskostenabzug berechtigen.
Der Kläger bezog im Streitjahr aus Aushilfstätigkeit als Rettungssanitäter 4.809 DM. Zwischen April 1998 und Februar 2000 absolvierte er eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer. Hierfür wandte er im Streitjahr 41.498,- DM auf.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er die Ausbildungskosten von 41.498,- DM für den Erwerb der Fluglizenz als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Mit ESt-Bescheid vom 11.04.2001, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, erging berücksichtigte der Beklagte die Werbungskosten wie erklärt, setzte die ESt 1999 auf 0,- DM fest und stellte mit Bescheid zum 31.12.1999 über den verbleibenden Verlustvortrag den Verlust mit 32.785 DM fest. Mit gem. § 164 Abs. 2 AO geändertem ESt-Bescheid vom 13.12.2001 ließ der Beklagte die Ausbildungskosten nicht mehr zum Abzug zu; die festgesetzte ESt blieb bei 0,- DM. Ebenfalls änderte der Beklagte am 11.04.2001 den Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug. In dem Bescheid, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung "Einspruch" versehen war, heißt es: "Der Bescheid ist nach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG geändert. Der Bescheid über den verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit wird nach § 10d Abs. 4 und Sätze 5 EStG aufgehoben."
Gegen beide Bescheide richteten sich die Einsprüche vom 20.12.2001, die mit Einspruchsentscheidungen vom 22.03.2002 zurückgewiesen wurden. In der ESt-Sache erfolgte die Zurückweisung als unbegründet, weil es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen um Ausbildungskosten handele, die nur im Rahmen des begrenzten Sonderausgabenabzugs und nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Gleichwohl verbleibe es bei der Steuerfestsetzung von 0,- DM. In der Feststellungssache führte der Beklagte aus, dass der Bescheid über den vortragsfähigen Verlust zu ändern sei, weil der ESt-Bescheid geändert worden sei und sich nunmehr ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte ergebe.
Innerhalb der Klagefrist hat der Kläger Klage gegen den ESt-Bescheid erhoben (VI 81/02), die er am 11.04.2003 zurückgenommen hat, weil sie wegen der Steuerfestsetzung von 0,- DM mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig war.
Am 02.12.2002 hat der Kläger noch Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 22.03.2002 in der Feststellungssache über den Verbleibenden Verlustvortrag erhoben. Ferner hat er am 13.12.2002 den Antrag gestellt, einen verbleibenden Verlust auf den 31.12.1999 festzustellen, den der Beklagte am 14.01.2003 abgelehnt hat. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Kläger dagegen am 07.04.2003 Verpflichtungsklage erhoben (VI 121/03).
Im vorliegenden Verfahren ist der Kläger der Auffassung, dass die Klage fristgerecht erhoben worden sei, weil die Klagefrist gem. § 356 Abs. 2 AO ein Jahr betrage. Der ESt-Bescheid habe eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, da trotz der Steuerfestsetzung von 0,- DM auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung verwiesen werde. Die Einspruchsentscheidung weise den Einspruch als unbegründet anstatt als unzulässig zurück und verweise unzutreffend auf die Klagemöglichkeit zum FG; sie habe keinen Hinweis auf den statthaften Rechtsbehelf enthalten. Der mit der Klage angegriffene Feststellungsbescheid habe nicht die von der Rechtsprechung geforderte Rechtsbehelfsbelehrung dahingehend enthalten, dass der Rechtsbehelf zur Berücksichtigung der Verluste nur gegen den Feststellungsbescheid zu richten sei. Da eine zunächst erfolgte Verlustfeststellung später aufgehoben worden sei, seien die Bescheide "erstmalige Bescheide", da sich aufgrund der Änderung erstmalig die Frage gestellt habe, welcher Bescheid anzufechten sei.
Hinsichtlich der Auslegung eines Rechtsbehelfsbegehrens sei zudem großzügig zu verfahren. Außerprozessuale und prozessuale Rechtsbehelfe seien unter entsprechender Anwendung von § 133 BGB - auch bei Erklärungen rechtskundiger Personen - auszulegen, wenn es an einer eindeutigen zweifelsfreien Erklärung des wirklich Gewollten fehle. Im Zweifel sei davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige den Rechtsbehelf einlegen wolle, der seinem materiell-rechtlichen Begehren am ehesten zum Erfolg verhelfe.
Hilfsweise begehrt der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagef...