Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung von Verwaltungsanweisungen durch das Gericht - Erlass von Säumniszuschlägen zur Grunderwerbsteuer wegen sachlicher Unbilligkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Das Gericht darf Verwaltungsanweisungen wie die ermessensregelnde Vorschrift in Ziff. 5 Abs. 2 Buchst. b AEAO zu § 240 nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist.
2. Diese Verwaltungsvorschrift ist einschränkend dahin auszulegen, dass ein vollständiger Erlass von Säumniszuschlägen wegen sachlicher Unbilligkeit nach § 227 AO nur bei einer lediglich geringfügigen Überschreitung der Schonfrist des § 240 Abs. 3 Satz 1 AO in Betracht kommt, bei der der Gegenleistungscharakter der Säumniszuschläge von ganz untergeordneter Bedeutung ist.
3. Eine Überschreitung von fast einem Monat ist nicht als nur geringfügig zu beurteilen. Das gilt ungeachtet des Umstandes, dass Stundungszinsen nur für volle Monate berechnet werden (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).
Normenkette
AO §§ 227, 238 Abs. 1 S. 2, § 240 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, Säumniszuschläge, die wegen einer verspäteten Zahlung auf Grunderwerbsteuerforderungen verwirkt wurden, wegen sachlicher Unbilligkeit in voller Höhe und nicht nur zur Hälfte zu erlassen.
I.
1. Mit notariellem Vertrag vom ... 08.2013 wurden jeweils 100 % der Geschäftsanteile an acht Kapitalgesellschaften im Wege der Abspaltung zur Aufnahme gemäß §§ 123 ff. Umwandlungsgesetz (UmwG) mit Wirkung zum selben Tag auf die Klägerin abgespalten, die hierdurch jeweils alleinige Gesellschafterin wurde. Jede der Kapitalgesellschaften war Eigentümerin eines Grundstücks.
2. Im Auftrag der Klägerin erstellte die Beratungsgesellschaft A GmbH in B (im Folgenden: A) die Erklärungen zur Feststellung der Grundbesitzwerte auf den Abspaltungsstichtag ... 08.2013.
3. Mit acht Grunderwerbsteuerbescheiden vom 19.03.2014 wurde für jeden Vorgang Grunderwerbsteuer festgesetzt (Anlagen K 1 bis K 8, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband). Die Grunderwerbsteuern in Höhe von insgesamt ... Euro wurden am 24.04.2014 fällig. Ebenfalls am 19.03.2014 ergingen die Feststellungsbescheide über die Grundbesitzwerte.
4. Die Steuerkasse Hamburg mahnte die Zahlung der Grunderwerbsteuern sowie der in Höhe von insgesamt ... Euro angefallenen Säumniszuschläge mit Mahnungen vom 15.05.2014, bei der Klägerin nach ihrem Vortrag am 19.05.2014 eingegangen, an (Anlagen K 9 bis K 16, FGA Anlagenband).
5. Die Klägerin überwies die Grunderwerbsteuern am 22.05.2014 (Kontoauszug, Anlage K 17, FGA Anlagenband). Die Beträge wurden am Folgetag auf dem Konto der Steuerkasse gutgeschrieben.
II.
1. Mit Schreiben vom 21.05.2014 beantragte die Klägerin den Erlass der entstandenen Säumniszuschläge aus Billigkeitsgründen mit der Begründung, dass sie die Grunderwerbsteuerbescheide aufgrund eines Büroversehens an A weitergeleitet habe, A aber stillschweigend von einer Überprüfung der Bescheide durch die allgemeine steuerliche Beraterin, die jetzige Prozessbevollmächtigte, ausgegangen sei. Dies sei erst mit Zugang der Mahnungen aufgefallen.
2. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27.05.2014 ab; es liege kein einen Erlass rechtfertigendes offenbares Versehen vor, da der Klägerin die Fälligkeitstermine bekannt gewesen seien und sie die Zahlungsfrist dennoch versäumt habe.
III.
1. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 16.06.2014 Einspruch ein mit der Begründung, dass die Säumniszuschläge nach Ziff. 5 Abs. 2 Buchst. b des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 240 Abgabenordnung (AO) zu erlassen seien, weil es aufgrund eines offenbaren Versehens zu einer nur kurzfristigen Säumnis gekommen sei.
2. Mit Einspruchsentscheidung vom 05.11.2014 erließ der Beklagte die Säumniszuschläge in Höhe von 50 % (... Euro) und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Wegen der Einschaltung zweier Berater hätte es der Klägerin oblegen, Maßnahmen zu ergreifen, um eine fehlerhafte Weiterleitung von Schriftstücken, hier der Grunderwerbsteuerbescheide, zu verhindern. Zudem hätte die Klägerin die ihr bekannte Zahlungsfrist selbst überwachen und vor Ablauf einen der Steuerberater kontaktieren müssen. Dass sie nicht einmal die Zahlungsfrist notiert habe, sei ein mehr als nur leichter Verstoß gegen die gebotene Sorgfaltspflicht. Auch hätte A auf die Unzuständigkeit bzgl. der Prüfung der Grunderwerbsteuerbescheide hinweisen müssen; dieses Verschulden sei der Klägerin zuzurechnen.
Da es sich bei der Klägerin jedoch um eine pünktliche Steuerzahlerin handele und sie die Zahlung nach Erhalt der Mahnungen umgehend geleistet habe, sei ein Erlass in Höhe von 50 % (analog zu Stundungszinsen) gerechtfertigt.
IV.
Die Klägerin hat am 10.12.2014 Klage erhoben.
Sie trägt vor, dass die laufende Steuerberatung aufgrund eines Beratungsvertrages seit langem ihrer Prozessbevollmächtigten obliege. Die Prozessbevollmächtigte sei für sämtliche Steuerbescheide empfangsbevollmächtig...