Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung: Verfassungsmäßigkeit des Mindest-Verspätungszuschlags
Leitsatz (amtlich)
Der Mindestbetrag für Verspätungszuschläge von 25 € je Monat nach § 152 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz AO ist auch im Fall der nach § 152 Abs. 2 AO zwingenden Festsetzung nicht im Hinblick auf eine möglicherweise geringere Steuer wegen Unverhältnismäßigkeit verfassungswidrig.
Normenkette
AO § 152 Abs. 2, 5
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verspätungszuschlags.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und Komplementärin einer Kommanditgesellschaft. Dafür erhält sie eine jährliche Haftungsvergütung von 500 €.
Die Klägerin gab für 2018 auch nach Aufforderung durch den Beklagten keine Steuererklärung ab. Der Beklagte erließ am 28. September 2020 einen Körperschaftsteuerbescheid für dieses Jahr. Er schätzte das zu versteuernde Einkommen auf 500 € und setzte die Körperschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 75 € fest. Zugleich setzte er wegen der Nichtabgabe der Steuererklärung den - streitgegenständlichen - Verspätungszuschlag in Höhe von 375 € fest.
Die Klägerin reichte ihre Steuererklärung am 28. Oktober 2020 ein und erhob zugleich Einspruch gegen den Bescheid vom 28. September 2020. Die Höhe des Verspätungszuschlags stehe in einem groben Missverhältnis zur Höhe der Körperschaftsteuer und sei daher rechtswidrig. Die erstmalig für das Streitjahr geltende Rechtsgrundlage sei der Klägerin nicht bekannt gewesen. Im Übrigen sei die Verspätung der Steuererklärung unverschuldet, denn bei der vorherigen, zeitgerechten Einreichung habe es einen technischen Defekt gegeben.
In seinem Antwortschreiben vom 4. November 2020 verwies der Beklagte darauf, dass die Regelungen in § 152 Abs. 2, 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) der Finanzbehörde sowohl die Festsetzung des Verspätungszuschlags als auch seine Höhe vorgebe. Die Behauptung der Klägerin, nicht schuldhaft gehandelt zu haben, sei im Übrigen im Hinblick auf die von ihr zu wahrende Sorgfaltspflicht unzureichend. Auch sei die Klägerin mit Schreiben vom 15. Juli 2020 an die Abgabe der Steuererklärung erinnert worden. Ergänzend merkte der Beklagte an, dass die Klägerin ihre Steuererklärungen auch in der Vergangenheit wiederholt nicht bzw. nicht fristgemäß eingereicht habe.
Der Beklagte erließ am 3. Dezember 2020 einen erklärungsgemäßen Änderungsbescheid zur Körperschaftsteuer und setzte die Steuer auf 169 € fest. Zugleich bestimmte er, dass es bei dem festgesetzten Verspätungszuschlag bleibe. Am 25. Januar 2021 erließ er eine Einspruchsentscheidung, in der er den Einspruch unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 4. November 2020 zurückwies.
Die Klägerin hat am 23. Februar 2021, in unterschriebener Form am 24. Februar 2021 bei Gericht eingegangen, Klage erhoben.
Die Klägerin macht geltend, ihre Einnahme von jährlich 500 € reiche gerade zur Deckung ihrer Betriebsausgaben. Die Auferlegung eines Verspätungszuschlags in Höhe von 375 € sei daher unverhältnismäßig, zumal die Festsetzung nicht angedroht worden sei und bis zum vorhergehenden Veranlagungszeitraum keine Verspätungszuschläge erhoben worden seien. Wegen des Missverhältnisses zwischen dem verfolgten Zweck und der Höhe der Festsetzung sei sie, die Klägerin, in ihren Grundrechten aus Art. 2 des Grundgesetzes (GG) betroffen. Die Verhältnismäßigkeit müsse bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags geprüft und berücksichtigt werden. Sollte die Rechtsgrundlage dies nicht vorsehen, sei sie entsprechend verfassungskonform auszulegen oder andernfalls zu verwerfen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Festsetzung des Verspätungszuschlags durch Bescheid vom 28. September 2020 in Gestalt des Bescheids vom 3. Dezember 2020 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2021 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf die Regelung in § 152 Abs. 2,5 AO in der Fassung vom 18. Juli 2016. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den angefochtenen Bescheid lägen vor. Die Behörde habe bei der Festsetzung kein Ermessen.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 7. Juli 2021 gemäß § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Einzelrichter übertragen.
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Entscheidungsgründe
Das Urteil ergeht durch den Berichterstatter als Einzelrichter,§ 6 FGO .
Das Gericht entscheidet gemäß § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Der angefochtene Bescheid setzt Abgaben von nicht mehr als 500 € fest und eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung entspricht in Anbetracht der Sache billigem Ermessen, denn die Klägerin stellt nicht die Tatbestandsmäßigkeit der Festsetzung des Verspätungszuschlags in Frage, sondern bestreitet ihre Rechtmäßigkeit mit der lediglich pauschal erhobenen Behauptung, ein Verspätungszuschlag in doppelter Höhe des Gewinns verletze das grundgesetzliche Gebot der Verhältnismäßigkeit aus Art. 2 GG.
Die zulässige Anfechtungsklage ist gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1FGO unbegründet....