Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz: Vermächtnisnehmer als Steuerschuldner
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vermächtnisnehmer ist als Erwerber Schuldner der Erbschaftsteuer.
2. Eine zivilrechtliche Übernahme oder anderweitige Auferlegung der Steuer lässt die Steuerschuldnerschaft des Vermächtnisnehmers unberührt und erhöht die Bemessungsgrundlage.
Normenkette
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 2, § 20 Abs. 1 Satz 1
Tatbestand
A.
Streitig ist die Steuerschuldnerschaft des Klägers als Vermächtnisnehmer eines testamentarisch als Teil des "Nettoreinnachlasses" vermachten Geldbetrags.
I.
1. Der Kläger ist der Bruder der am ... 2007 verstorbenen Erblasserin. Die Erblasserin hatte am ... 2006 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie den Sohn des Klägers zum alleinigen Erben einsetzte (Erbschaftsteuerakte --ErbSt-A-- Bl. 5 ff.). In dem Testament vermachte die Erblasserin zudem dem Kläger einen einmaligen Geldbetrag, dessen Höhe in dem Testament wie folgt bestimmt wird (ErbSt-A Bl. 7):
"... einen einmaligen Geldbetrag in der Höhe, die er [der Kläger] ohne Kürzung staatlicher Leistungen nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen im Zeitpunkt meines [der Erblasserin] Todes erhalten kann, höchstens jedoch einen Betrag in Höhe von 10 % meines [der Erblasserin] Nettoreinnachlasses".
2. Am ... 2006 änderte die Erblasserin ihr früheres Testament handschriftlich dahingehend, dass der Kläger als Vermächtnis nunmehr einen Geldbetrag in Höhe von
"20 % des Nettoreinnachlasses" der Erblasserin erhalten sollte (ErbSt-A Bl. 64).
3. Am ... 2009 erhielt der Kläger die Vermächtniszuwendung in Höhe von 20.000 Euro von seinem Sohn als Alleinerben aus dem Nachlass der Erblasserin ausgezahlt.
II.
1. Der Sohn des Klägers informierte den Beklagten (das Finanzamt --FA--) über die an den Kläger geleistete Zahlung (ErbSt-A Bl. 35 ff.). Der Kläger reichte trotz mehrfacher Aufforderung durch das FA (ErbSt-A Bl. 44, 58) keine Erbschaftsteuererklärung ein. Er sei der Auffassung, aufgrund der testamentarischen Bestimmung nicht erbschaftsteuerpflichtig zu sein (ErbSt-A Bl. 45, 62).
2. Das FA nahm den Kläger mit Erbschaftsteuerbescheid vom 04. Oktober 2010 in Anspruch und setzte die Erbschaftsteuer für die Vermächtniszuwendung auf 1.164,00 Euro fest (ErbSt-A Bl. 68, 69).
3. Am 07. Oktober 2010 legte der Kläger Einspruch ein (ErbSt-A Bl. 71). Die Erblasserin habe den Kläger von der Steuer freigestellt. Dies ergebe sich aus dem in dem Testament verwendeten Begriff des "Nettoreinnachlasses". Die Erbschaftsteuer für das Vermächtnis sei daher aus dem Nachlass und nicht von ihm selbst als Vermächtnisnehmer zu begleichen (ErbSt-A Bl. 71). Das FA habe die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) nicht beachtet, nach der ein anderer als der Erwerber die Steuerlast tragen könne. Im Übrigen fehle dem Bescheid auch die erforderliche Begründung.
4. Nach Hinweisschreiben vom 15. Oktober 2010 wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11. April 2011 als unbegründet zurück (ErbSt-A Bl. 73 ff., 78 f.). Die Auslegung des in dem Testament verwendeten Begriffs des "Nettoreinnachlasses" sei für die Frage ohne Belang, wer Steuerschuldner der Erbschaftsteuer sei. Die Steuerschuldnerschaft des Vermächtnisnehmers als Erwerber im Erbfall ergebe sich aus § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Der Wortlaut des Gesetzestextes sei insoweit eindeutig. Ein etwaiger Anspruch auf Übernahme der Erbschaftsteuer durch den Erben könne allenfalls auf zivilrechtlichem Weg gegen-über dem Alleinerben geltend gemacht werden. Die Berechnungsvorschrift des § 10 Abs. 2 ErbStG sei hier nicht einschlägig, da der Begriff des "Nettoreinnachlasses" durch die Erblasserin in dem Testament ausschließlich dazu verwendet worden sei, eine betragsmäßige Obergrenze des Vermächtnisses zu definieren. Im Übrigen würde die Anwendung der Vorschrift ohnehin lediglich zu einer höheren Steuer des Klägers führen.
III.
Der Kläger wiederholt zur Begründung seiner am 29. April 2011 erhobenen Klage sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor (Finanzgerichtsakte --FG-A-- Bl. 1 ff., 9 f.):
Der durch die Erblasserin in dem Testament verwendete Begriff des "Nettoreinnachlasses" sei als Netto-Vermächtniszuwendung nach Abzug sämtlicher Verbindlichkeiten, Kosten und Abgaben zu verstehen. Das FA habe daher die "steuerfreie" Vererbung und damit den letzten Willen der Erblasserin nicht beachtet (FG-A Bl. 2, 9).
Nach der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG seien der Erbe und der Vermächtnisnehmer bei einer Vermächtniszuwendung Gesamtschuldner. Bei der Inanspruchnahme eines Steuerschuldners sei demnach Ermessen auszuüben. Das FA hätte deshalb die Auswahl des Klägers als Vermächtnisnehmer anstelle des Erben als Steuerschuldner für die Erbschaftsteuer hinsichtlich der Vermächtniszuwendung begründen müssen (FG-A Bl. 2, 3, 9).
Entgegen der Auffassung des FA sei die Vorschrift des § 10 Abs. 2 ErbStG einschlägig. Nach dieser Vorschrift könne der Erblasser die Entr...