Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgabenordnung, Einkommensteuergesetz: Wirksamkeit einer Einspruchsrücknahme
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einspruchsrücknahme ist als prozessuale Handlung grundsätzlich bedingungsfeindlich. Eine unter einer Bedingung ausgesprochene Rücknahme ist daher unwirksam und entfaltet keine Rechtsfolgen.
2. Das Finanzamt ist gem. § 85 AO zu einer Steuerfestsetzung nach Maßgabe des Gesetzes verpflichtet. Die Vornahme einer Verböserung steht daher nicht im Ermessen des Finanzamts, sondern es hat die Rechtspflicht zur Verböserung.
Normenkette
AO §§ 362, 367; EStG § 9
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin ihren Einspruch wirksam zurückgenommen hat und der Beklagte deshalb den angefochtenen Bescheid nicht mehr verbösern durfte. Außerdem ist streitig, ob der Beklagte erklärte Werbungskosten zu Recht versagt hat.
Die Klägerin ist als ... bei der A angestellt und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärungen für 2003 und 2004 machte die Klägerin diverse Werbungskosten geltend. In den Anlagen zu den Einkommensteuerbescheiden 2003 und 2004 setzte sich der Beklagte umfangreich mit den erklärten Werbungskosten auseinander und wies daraufhin, dass ab dem Kalenderjahr 2006 Kraftfahrzeugkosten nur noch abgezogen werden, wenn ein Fahrtenbuch vorgelegt wird. Dieses Fahrtenbuch wäre ab Mai 2006 zu führen.
In ihrer Einkommensteuererklärung erklärte die Klägerin für das Streitjahr 2007 u. a. bei den Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit Fortbildungskosten für fünf Schulungen in B (in Form der Fahrtkosten mit dem Pkw von C nach B in Höhe von 1.503 EUR) und für einen Bildungsurlaub in der ... (Reisekosten und Verpflegungsmehraufwand) in Höhe von 925 EUR. Weitere Werbungskosten erklärte sie für einen Koffer in Höhe von 19 EUR und Schuhe in Höhe von 271 EUR. Als außergewöhnliche Belastungen erklärte die Klägerin Kosten für Nahrungsergänzungsmittel in Höhe von 402 EUR. Zudem beantragte die Klägerin in der Einkommensteuererklärung die Berücksichtigung eines Verlusts aus einer Bürgschaft als Kommanditistin gem. § 15a Einkommensteuergesetz (EStG).
Im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 12.10.2009 erkannte der Beklagte die Kosten für den Koffer und die Schuhe in Höhe von zusammen 290 EUR nicht als Werbungskosten an, kürzte die außergewöhnlichen Belastungen um die Kosten für die Nahrungsergänzungsmittel und versagte den Verlust gem. § 15a EStG.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 legte die Klägerin am 16.11.2009, einem Montag, Einspruch ein. Sie wendete sich gegen die Nichtanerkennung der erklärten Werbungskosten und die Nichtberücksichtigung des § 15a EStG-Verlustes. Zudem seien die Kosten für Nahrungsergänzungsmittel als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen, da die Klägerin unter ... leide.
Mit Schreiben vom 26.11.2009 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Nahrungsergänzungsmittel in voller Höhe als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden könnten, während hinsichtlich der Schuhe und des Koffers weiterhin ein Werbungskostenabzug und auch der Verlustabzug nach § 15a EStG zu versagen seien. Der Beklagte forderte die Klägerin mit gleichem Schreiben auf, ihr bis zum 15.12.2009 mitzuteilen, "ob sie ihren Einspruch bei einer entsprechenden Änderung des Bescheides als erledigt ansehe". Hieran erinnerte sie die Klägerin mit Schreiben vom 23.12.2009 unter Verlängerung der Frist bis zum 20.01.2010.
Nachdem die Klägerin auch auf diese Erinnerung nicht reagierte, übernahm die Rechtsbehelfsstelle den Einspruch zur weiteren Bearbeitung. Diese stellte mit Schreiben vom 23.02.2010 der Klägerin erneut die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastungen in Aussicht, versagte weiterhin den Werbungskostenabzug hinsichtlich der Schuhe und des Koffers als auch den Verlust gem. § 15a EStG und drohte nunmehr eine Verböserung an. Diese betraf die nachträgliche Versagung des Werbungskostenabzuges für den Bildungsurlaub in D in Höhe von 822 EUR aufgrund einer nicht untergeordneten privaten Veranlassung als auch der Fahrtkosten zu fünf Schulungsveranstaltungen der A in B in Höhe von 1503 EUR mangels Nachweises der tatsächlichen Durchführung der Fahrten.
Hierauf erwiderte die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.03.2010, dass sie "den Einspruch als erledigt ansehe, wenn die Nahrungsmittel noch berücksichtigt werden".
Mit Schreiben vom 18.03.2010 erließ der Beklagte eine Einspruchsentscheidung mit entsprechend geändertem Einkommensteuerbescheid 2007, in welchem er die Nahrungsergänzungsmittel als außergewöhnliche Belastungen anerkannte, während er die Berücksichtigung der Kosten für den Bildungsurlaub und der Fahrten nach B als Werbungskosten versagte.
Am 19.04.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, sie habe durch ihr Schreiben vom 02.03.2010 den Einspruch wirksam zurück genommen, sodass eine verbösernde Einspruchsentscheidung der Beklagten nicht habe ergehen dürfen. Der Wille zur Rücknahme sei diesem Schreiben eindeutig zu entnehmen.
Z...