Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn kein Postausgangsbuch geführt wird?
Leitsatz (amtlich)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist kann nicht gewährt werden, wenn kein Postausgangsbuch geführt wird und keine angemessene Organisation die Abgabe zur Post kontrollierbar macht.
Normenkette
AO § 110
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren ist.
Die Klägerin ist seit dem 01.11.1998 durch Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der ... (G) GmbH (im Folgenden GmbH). Im April 2000 fand eine abgekürzte Außenprüfung bei der GmbH betreffend Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer sowie Feststellung nach § 47 KStG statt. Der BP-Bericht datiert vom 17.11.2000. Auf Grund der Feststellungen der BP erließ der Beklagte Änderungsbescheide (Körperschaftsteuerbescheid 1998, Bescheid auf den 31.10.1998 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs, Bescheid zum 31.10.1998 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG sowie Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.10.1998), die am 11.01.2001 mit einfachem Brief zur Post gegeben wurden. Adressiert waren sie an die seinerzeitigen Bevollmächtigten, die ... (S) Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden S).
Nachdem neue steuerliche Bevollmächtigte der Klägerin während einer weiteren Außenprüfung am 11.09.2001 Kenntnis davon erlangt hatten, dass Einsprüche gegen die Änderungsbescheide beim Beklagten nicht eingegangen waren, legte die S mit Schriftsatz vom 12.09.2001, am selben Tage beim Beklagten eingegangen, nunmehr Einspruch gegen die geänderten Bescheide ein und stellte zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist. Die Bescheide seien erst am 16.01.2001 zugegangen. Die Einspruchsfrist sei durch das elektronisch geführte Posteingangsbuch/Fristenkontrollbuch der DATEV eingetragen und überwacht worden. Die Bearbeitung der Einsprüche sei am 09.02. 2001 aufgenommen worden. Nachdem die Schriftsätze an die stets zuverlässige Sekretariatskraft Frau A zur Versendung bzw. zur Ablage je einer Kopie im Ausgangsordner und in der BP-Akte des Mandanten übergeben worden seien, seien die Fristen gestrichen worden. Es sprächen sämtliche Anzeichen dafür, dass die Rechtsbehelfe ordnungsgemäß am 12.02.2001 postalisch versandt worden und dann möglicherweise auf dem Postweg verloren gegangen seien. Falls das Einspruchsschreiben nicht auf dem Postweg verloren gegangen sei, müsse ein trotz sämtlicher organisatorischer Maßnahmen nicht auszuschließendes Büroversehen vorliegen, das dem Mandanten und dem Bevollmächtigten nicht zuzurechnen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23.07.2002 verwarf der Beklagte die Einsprüche als unzulässig, weil sie nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen seien. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht erfüllt, weil keine verlässliche Ausgangskontrolle für die Absendung des fristgebundenen Schreibens stattgefunden habe (wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen). Hiergegen richtet sich die Klage vom 21.8.2002. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte zu Unrecht die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt habe.
Im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung ihres ehemaligen Bevollmächtigten, des Steuerberaters B von der S vom 02.12.2002 zur Akte gereicht (Anlage K 4), in der es unter anderem heißt:
"Im Rahmen des Beratungsmandates waren u.a. die Änderungsbescheide des Finanzamtes Hamburg-... vom 11.01.2001 betreffend Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG 1998 sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer, die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.10.1998 zu überprüfen. Die Sachbearbeitung habe ich selbst übernommen. Mit der Fristüberwachung habe ich unsere langjährige ehemalige Mitarbeiterin, Frau ... (A), beauftragt. Diese hat mir die genannten Bescheide am 06.02.2001 zur Überprüfung und Bearbeitung vorgelegt. Ich habe die Bescheide dann am 09.02.2001 überprüft, ein Einspruchsschreiben auf Tonträger abdiktiert und diesen Frau ... (A) zum Schreiben übergeben. Frau ... (A) hat am 12.02.2001 das Einspruchsschreiben erstellt und mir am selben Tag zur Unterschrift vorgelegt. Nach Durchsicht und Unterschrift habe ich es Frau ... (A) zur Postabfertigung zurückgegeben. Ich konnte davon ausgehen, und tue das auch heute noch, dass Frau ... (A) die Postabfertigung ordnungsgemäß vorgenommen hat, d.h. das Einspruchsschreiben adressiert, kuvertiert, frankiert und zur Post gebracht hat. Frau ... (A) war eine sehr zuverlässige Mitarbeiterin, die seitens der ... (S) sorgfältig eingearbeit...