Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen gem. § 8 Nr. 1 Buchst. a), d), e) und f) in 2009
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Senat hat zwar hinreichend ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelungen der Hinzurechnungsvorschriften in § 8 Nr. 1 Buchst. a), d) und e) GewStG, die sich allein schon daraus ergeben, dass das FG Hamburg v. 29.2.2012 - 1 K 138/10, EFG 2012, 960 von der Verfassungswidrigkeit dieser Normen überzeugt war und diese dem BVerfG vorgelegt hat.
2) Jedoch hat die Antragstellerin das Überwiegen ihres Aussetzungsinteresses gegenüber dem Haushaltsinteresse des Fiskus nicht dargelegt.
3) Mit seiner auf den Leistungsfähigkeitsgrundsatz gestützten Begründung befindet sich das FG Hamburg im Widerspruch zur ganz überwiegenden Rechtsprechung der Finanzgerichte. Der erkennende Senat hält es für ausgeschlossen, dass das BVerfG die umstrittenen Normen auch mit Wirkung für die Vergangenheit bis 2007 für nichtig erklären könnte.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. a, d, e, f; FGO § 69 Abs. 2 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Gewerbesteuermessbescheid 2009 vom 9. Februar 2011 wegen Verfassungswidrigkeit der ab dem Jahr 2008 geltenden Regelungen über die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a), d), e) und f) des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 vom 14. August 2007 (Bundesgesetzblatt I 2007, 1912; im Folgenden: GewStG) von der Vollziehung auszusetzen ist.
Die Antragstellerin ist eine Hotelgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ihren Hotelbetrieb ausschließlich in von fremden Dritten angepachteten Gebäuden betreibt. Ihr satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand ist der Erwerb, die Errichtung, der Betrieb, die Anpachtung, die Veräußerung und die Vermittlung von Hotels, Restaurants und artverwandter Betriebe sowie die Vornahme aller Geschäfte, die damit unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang stehen.
Im Streitjahr 2009 erwirtschaftete die Antragstellerin einen handelsrechtlichen Jahresfehlbetrag in Höhe von 6.281.169 EUR, im Vorjahr 2008 in Höhe von 8.829.468 EUR. Der unstreitige körperschaftsteuerliche Verlust der Antragstellerin betrug 3.400.149 EUR im Streitjahr 2009 und 4.167.917 EUR im Vorjahr 2008.
Die Jahresabschlüsse der Antragstellerin zum 31. Dezember 2008 und 2009 weisen einen Kassenbestand bzw. Guthaben bei Kreditinstituten in Höhe von ca. 11,5 Mio. EUR (2008) bzw. in Höhe von ca. 5,25 Mio. EUR (2009) aus. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Jahresabschlüsse verwiesen.
Die Antragstellerin wandte im Streitjahr 2009 Schuldentgelte in Höhe von 50.939 EUR, Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter im Eigentum eines anderen in Höhe von 9.403.200 EUR, Pachtzinsen für unbewegliche Wirtschaftsgüter im Eigentum eines anderen in Höhe von 56.223.688 EUR sowie Lizenzgebühren in Höhe von 87.400 EUR auf. Diese Aufwendungen führten zu gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a), d), e) und f) GewStG in Höhe von insgesamt 9.599.709 EUR. Wegen der Zusammensetzung der Hinzurechnungsbeträge wird auf die Anlage „Hinzurechnungen bei der GewSt” zur Gewerbesteuererklärung der Antragstellerin vom 27. Dezember 2010 verwiesen. Unter Berücksichtigung dieser Hinzurechnungen ermittelte der Antragsgegner einen Gewerbeertrag in Höhe von 5.431.792 EUR und setzte mit Bescheid vom 9. Februar 2011 bei einem auf 3.659.076 EUR beschränkten Verlustabzug den Gewerbesteuermessbetrag erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 62.044 EUR fest.
Im Vorjahr 2008 betrug die – erklärungsgemäße – gewerbesteuerliche Hinzurechnung für Schuldentgelte, Pachtzinsen und Lizenzgebühren gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. a), d), e) und f) GewStG insgesamt 10.100.191 EUR. Der Antragsgegner setzte den Gewerbesteuermessbetrag 2008 bei einem auf 4.420.026 EUR beschränkten Verlustabzug erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 79.800 EUR fest.
Gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2008 erhob die Antragstellerin nach erfolglosem Vorverfahren Klage, über die noch nicht entschieden ist (13 K 2768/10). Nach Auffassung der Antragstellerin verstoßen die Hinzurechnungsvorschriften für Finanzierungsanteile nach § 8 Nr. 1 Buchst. a), d), e) und f) GewStG in der ab 2008 geltenden Fassung gegen das Grundgesetz. Sie rügt einen Verstoß der betroffenen Vorschriften gegen die Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen-Menschenrechtskonvention (EMRK).
Gegen den im vorliegenden Aussetzungsverfahren streitgegenständlichen Gewerbesteuermessbescheid 2009 legte die Antragstellerin fristgerecht Einspruch ein; das Verfahren über den Einspruch beim Antragsgegner ruht.
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