Entscheidungsstichwort (Thema)
Besonderheiten bei AdV von Ermessensverwaltungsakten im Rahmen des Einspruchsverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1) Für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines noch im Einspruchsverfahren zu überprüfenden Ermessensverwaltungsaktes, der in diesem Verfahrensstadium durch die Finanzbehörde noch in vollem Umfang überprüft und umgestaltet werden kann, gelten Besonderheiten.
2) Während des Einspruchsverfahrens sind ergänzende oder nachholende Ausführungen zur Begründung der Ermessenausübung bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung zu berücksichtigen.
Normenkette
AO §§ 69, 191 Abs. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides, mit dem der Antragsteller für Steuerschulden der A GmbH in Liquidation – GmbH – in Anspruch genommen worden ist.
Die GmbH wurde am 30. September 2010 vom Kläger und seiner zu diesem Zeitpunkt knapp 72 Jahre alten Mutter, Frau B, gegründet. Zur Geschäftsführerin und späteren Liquidatorin wurde die Mutter des Klägers berufen. Der Geschäftsgegenstand der GmbH war der Groß- und Einzelhandel mit EDV-Artikeln. Wegen der Einzelheiten wird auf die Unterlagen in der Vertragsakte sowie das Handelsregister des Amtsgerichtes … (HRB …) Bezug genommen.
Für die Streitjahre gab die GmbH Erklärungen zur Körperschaftsteuer und zur Umsatzsteuer ab. Für das Jahr 2010 erklärte sie einen Steuerbilanzverlust von ca. 105.000 EUR sowie Umsätze in Höhe von ca. 154.000 EUR. Für das Jahr 2011 deklarierte sie einen Steuerbilanzgewinn von ca. 37.000 EUR und Ausgangsumsätze von ca. 106.000 EUR. Die beiden von der Mutter des Klägers unterschriebenen Körperschaftsteuererklärungen weisen den Kläger als gesetzlichen Vertreter aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Steuererklärungen und die zugehörigen Jahresabschlüsse verwiesen.
Der Fragebogen anlässlich der Gründung einer Kapitalgesellschaft weist die Mutter des Klägers als Geschäftsführerin und ihn als Empfangsbevollmächtigten aus. In den Gewerbesteuererklärungen ist der Kläger als gesetzlicher Vertreter angegeben.
Anlässlich der Aufnahme der GmbH als neue Unternehmerin fielen dem Antragsgegner diverse Ungereimtheiten auf. Insbesondere lagen Rechnungen vor, bei denen die angegebenen Daten (Umsatzsteueridentifikationsnummern, Adressen, Bankverbindungen) nicht plausibel waren. Es kam daraufhin bereits im Jahr 2011 zu einer Umsatzsteuer-Nachschau gemäß § 27b des Umsatzsteuergesetzes – UStG –, bei der sich nach Auffassung des Antragsgegners herausstellte, dass die Mutter des Antragstellers aus Alters- und Gesundheitsgründen zur tatsächlichen Wahrnehmung ihrer Geschäftsführerfunktion nicht im Stande war. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf den Vermerk über die Umsatzsteuer-Nachschau Bezug genommen.
Der Antragsgegner führte sodann eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der GmbH durch. Diese endete mit Abschlussbericht vom 16. August 2011. Dabei wurde für das Streitjahr 2010 eine bisher nicht erfasste Rechnung vom 20. September 2010 über netto 17.820 EUR bei der Berechnung der Umsatzsteuer 2010 zusätzlich zu den gebuchten Rechnungen erfasst. Weiterhin wurden in erheblichem Umfang Vorsteuern, insbesondere wegen mangelhafter Rechnungen, gekürzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Sonderprüfungsbericht und die in der Handakte befindlichen Kopien der Rechnungen Bezug genommen. Die Umsatzsteuer 2010 wurde zunächst mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 14. September 2011 auf ca. 25.500 EUR festgesetzt.
Nach Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 2010 erließ der Antragsgegner unter dem 26. März 2012 (weiterhin) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Bescheide über Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 2010. Dabei setzte er die Körperschaftsteuer auf 19.662 EUR fest. Dabei berücksichtigte er neben dem Steuerbilanzverlust von 105.272 EUR die im Jahresabschluss ausgewiesenen nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben i.H.v. 194.890,46 EUR sowie Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer in Höhe von zusammen ca. 40.000 EUR bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens von insgesamt 131.085 EUR. Die Umsatzsteuer wurde unter Berücksichtigung der erhöhten Ausgangsumsätze und der gekürzten Vorsteuern auf 25.537,56 EUR festgesetzt.
Unter dem 20. April 2012 erging ein ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid zur Körperschaftsteuer 2011, mit dem – allerdings ohne Ansatz eines Verlustvortrages aus dem Vorjahr – das zu versteuernde Einkommen erklärungsgemäß mit 52.569 EUR ausgewiesen und die Körperschaftsteuer auf 7.885 EUR festgesetzt wurde. Die Umsatzsteuerjahresanmeldung stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Unter Berücksichtigung der Vorauszahlungen ergab sich eine – erklärungsgemäße – Abschlusszahlung von 135,96 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheide verwiesen.
Nach Lage der Akten wurden die festgesetzten...