Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Einstelllung der Zahlungen von Kindergeld ohne Aufhebungsbescheid der Bewilligung
Leitsatz (redaktionell)
Hebt die Kindergeldkasse den Kindergeldbewilligungsbescheid erst 6 Monate nach Beginn des streitig gewordenen Zeitraums auf, so bestand vorher keine Rechtsgrundlage, die Zahlung von Kindergeld vorläufig einzustellen (entgegen FG München v. 24.5.2006 - 9 K 3206/04). Die Kosten einer Leistungsklage des Kindergeldberechtigten, die in der Hauptsache für erledigt erklärt wird, trägt die Kindergeldkasse.
Normenkette
FGO § 136 Abs. 1 S. 3; EStG § 66 Abs. 2; FGO § 138 Abs. 1
Tatbestand
I.
Die Beklagte setzte gegenüber der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 16.4.20098 ab April 2009 Kindergeld für deren Tochter fest und zahlte dieses Kindergeld zunächst fristgerecht aus. Mit Anhörungsschreiben vom 21.1.2011 bat die Beklagte zur Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld um deren Nachweis, da die Klägerin in Litauen lebe; zugleich kündigte die Beklagte eine eventuelle Rückforderung des bis Januar 2011 ausgezahlten Kindergeldes an. Mit Datum des 21.1.2011 verfügte die Beklagte intern die sofortige Zahlungseinstellung ab dem Monat Februar 2011.
Ab Februar 2011 zahlte die Beklagte das Kindergeld nicht mehr aus. Im Rahmen des Schriftwechsels zwischen Klägerin und Beklagter forderte die Klägerin die Beklagte mit Schriftsätzen vom 9.5.2011, 4.7.2011 und 8.8.2011 auf, das bis dahin jeweils fällige Kindergeld auszuzahlen, da sie auf das Kindergeld dringend zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen sei. Zuletzt setzte sie der Beklagten dazu eine Frist bis zum 30.8.2011.
Am 28.10.2011 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie die Zahlung des Kindergeldes für Februar bis Oktober 2011 nebst Prozesszinsen begehrt. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 9.11.2011 die Festsetzung von Kindergeld ab Mai 2009 aufgehoben und das ab Mai bis Januar 2011 gezahlte Kindergeld zurückgefordert. Dagegen hat die Klägerin fristgerecht Einspruch eingelegt. Daraufhin haben beide Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Nachdem beide Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dies trägt die Beklagte gemäß § 138 Abs. 1, § 136 Abs. 1 S. 3 FGO. Es entspricht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands billigem Ermessen, der Behörde die Kosten aufzuerlegen, auch insoweit, als die Klägerin zu einem nur geringfügigen Teil unterlegen ist.
1.
Die Klage war als Leistungsklage auf Auszahlung von Kindergeld zulässig und – jedenfalls bis zum Erlass des Aufhebungsbescheides der Beklagten vom 9.11.2011 für den Zeitraum ab Mai 2009 – auch begründet. Denn die Beklagte hatte gegenüber der Klägerin Kindergeld in gesetzlicher Höhe festgesetzt. Das Kindergeld war hier gemäß § 70 Abs. 1 EStG durch – bestandskräftigen –. Bescheid der Beklagten als begünstigenden Dauerverwaltungsakt festsetzt worden.
a)
Im Ergebnis wäre eine –der Leistungsklage vorrangige– Anfechtungsklage gegen die vorläufige Zahlungseinstellung nicht zulässig gewesen, da eine Zahlungsunterbrechung des Kindergeldes als bloßes Unterlassen der Zahlung keine Regelung enthält und damit keinen Verwaltungsakt darstellt (vgl. BFH-Beschluss vom 25.08.2009 III B 245/08, BFH/NV 2009, 1989, Rz. 5, in dem das Urteil des FG Nürnberg vom 21.10.2008 7 K 773/2008, Juris, insoweit bestätigt wird).
b)
Die Klage war auch nicht etwa unzulässig, weil zunächst ein Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO hätte ergehen müssen. Denn dieser setzt eine Streitigkeit über das Bestehen eines Steueranspruchs voraus. Daran fehlt es hier, da beide Beteiligten unstreitig davon ausgingen, dass das Kindergeld für die hier streitigen Monate noch nicht gezahlt und der Steuervergütungsanspruch der Klägerin aus § 37 Abs. 1 AO daher nicht gemäß § 47 AO durch Zahlung erloschen war.
c)
Die auf Zahlung gerichtete Leistungsklage war vielmehr zulässig, da deren Voraussetzungen vorlagen: Aufgrund eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens war der geltend gemachte Anspruch durch Verwaltungsakt festgestellt – hier: derjenige der Klägerin auf Kindergeld für die streitigen Monate – hier: der bestandskräftige Kindergeldbescheid der Beklagten zugunsten der Klägerin – und nur noch seine Verwirklichung (Erfüllung) im Sinne des § 218 Abs. 1 AO – in Form der Auszahlung an die Klägerin – stand noch aus.(vgl. zu diesen Voraussetzungen nur BFH-Urteile vom 30.11.1999 VII R 97/98, BFH/NV 2000, 412; vom 29.1.1991 VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791 und vom 12.6.1986 VII R 103/83, BStBl II 1986, 702).
2.
Die Zahlungsklage der Klägerin war wegen der Kindergeldzahlungen für die Monate Februar bis Oktober 2011 auch begründet, denn diese waren bei Klageerhebung fällig.
a)
§ 66 Abs. 2 EStG bestimmt einen monatlichen Auszahlungszeitraum für Kindergeld. Für die Fälligkeit der Steuervergütung Kindergeld gilt mangels ausdrücklicher anderer Regelung § ...