rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haushaltszugehörigkeit trotz Zugangsverweigerung zur ehelichen Wohnung
Leitsatz (redaktionell)
Die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt einer kindergeldberechtigten Mutter endet nicht dadurch, dass der grundsätzlich ebenfalls kindergeldberechtigte Vater, der der Auszahlung des Kindergeldes an die Mutter zugestimmt hat, der Mutter den Zugang zur ehelichen Wohnung durch Auswechseln des Schlosses verweigert.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, § 64 Abs. 2 S. 1, § 62
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung des Kindergelds für die Monate April bis August 2002.
Die 38 Jahre alte Klägerin ist Mutter des im September 1985 geborenen … (S) und der Juli 1987 geborenen … (T). Ihr Ehemann hatte sich damit einverstanden erklärt, dass das Kindergeld für beide Kinder an die Klägerin ausgezahlt wurde (Kindergeld-Akte, Bl 19). Im November 1994 verließ der Beigeladene die eheliche Wohnung. Die Klägerin und ihre Kinder lebten anschließend von Sozialhilfe. Später bezogen die Klägerin und ihr Ehemann wieder eine gemeinschaftliche Wohnung in der … Straße. Das Kindergeld für die gemeinschaftlichen Kinder bezog weiter die Klägerin, auch für die vorliegend streitbefangenen Monate April bis August 2002 (1.540 EUR).
Spätestens Anfang 2002 kam es erneut zu Zerwürfnissen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann, bei denen es auch zu Gewalttätigkeiten gegenüber der Klägerin kam. Ab dem 22. März 2002 musste die Klägerin für etwa zwei Wochen stationär behandelt werden. Diese Gelegenheit nutzte ihr Ehemann, um den Wohn- und Schlafbereich der Eheleute mit einem Steckschloss zu verschließen, sodass die Klägerin fortan keine Möglichkeit mehr hatte, diese Räumlichkeiten zu betreten; lediglich die Kinderzimmer waren ihr noch zugänglich. Daraufhin kam die Antragstellerin ab dem 8. April 2002 zunächst bei ihrem Vater in … unter. Die Kinder blieben zunächst beim Ehemann in der ehelichen Wohnung. Das Sorgerecht für die gemeinschaftlichen Kinder stand unverändert der Klägerin und ihrem Ehemann gemeinschaftlich zu (Kindergeld-Akte, Bl 85). Der Versuch der Klägerin, die Zuweisung der Familienwohnung an sie zu betreiben, blieb wegen Untätigkeit der von ihr beauftragten Rechtsanwältin erfolglos, was schließlich auch zu einer Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer führte. In der Folgezeit beantragte der Ehemann der Klägerin Kindergeld für die Monate ab April 2002. Er gab an, die Kinder lebten seit dem 22. März 2002 bei ihm (Kindergeld-Akte, Bl 77).
Die Klägerin erklärt, von ihrem Ehemann vergewaltigt und wiederholt geschlagen und getreten worden zu sein. Insoweit sei auch Strafanzeige wegen ehelicher Gewalt gestellt worden (kriminalpolizeiliches Az.: …). Die Kinder lebten zwar bei ihrem Ehemann, es handle sich jedoch nach wie vor um die gemeinschaftliche Wohnung, die sie nur wegen drohender Gewalttätigkeiten des Ehemanns verlassen habe. Sie sei auch nicht damit einverstanden, dass die neue Freundin des Ehemanns in der ehelichen Wohnung ein- und ausgehe. Sie habe beim Familiengericht einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung gestellt. Das Kindergeld verwende sie für (Freizeit-)Unternehmungen mit den Kindern (Kindergeld-Akte, Bl 79, 81, 83, 85).
Mit Beschluss des Landgerichts … vom 29. September 2003 (Beschluss der … große Strafkammer …) wurde die Anklage gegen den Ehemann der Klägerin wegen Vergewaltigung zur Hauptverhandlung zugelassen, weil die ärztlichen Gutachten einen hinreichenden Tatverdacht ergeben hatten. Seit dem 7. Oktober 2002 lebt S wieder bei der Klägerin, nachdem er vom Beigeladenen zum Verlassen der Wohnung aufgefordert worden war. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Arbeitsamt … am 17. Oktober 2002 erklärte die Klägerin ergänzend, das Kindergeld nicht an ihren Ehemann weitergeleitet zu haben (Kindergeld-Akte, Bl 80). Seit Mitte November 2002 bewohnt die Klägerin zusammen mit ihrem Sohn eine eigene Wohnung in …. Ende November 2002 teilte ihr der Vermieter der ehelichen Wohnung mit, sie könne aus dem damals mit ihrem Ehemann gemeinschaftlich geschlossenen Mietvertrag nicht entlassen werden.
Mit Bescheid vom 6. November 2002 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Monate April bis August 2002 auf und forderte das nach ihrer Ansicht zu Unrecht gezahlte Kindergeld von 1.540 EUR zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kinder lebten seit dem 22. März 2002 in alleiniger Obhut des Ehemanns der Klägerin.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 22. Mai 2003) erhobene Klage macht die Klägerin geltend, die Rückforderung des Kindergeld für die Monate April bis August 2002 sei nicht berechtigt, weil sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um ihre Kinder gekümmert habe. Sie habe auch in der … Straße gewohnt und sei tagsüber oft bei ihren Kindern gewesen. Wegen der Gewalttätigkeiten ihres Ehemannes in früherer Zeit habe sie dort allerdings nicht übernachten können. Es sei nicht richtig, dass der Vater die Kinder in seinen Hau...