Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Steueridentifikationsnummer
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Vergabe und Mitteilung der Steueridentifikationsnummer stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 118 Satz 1 AO dar.
2) Die Vergabe der Steueridentifikationsnummer ist verfassungsgemäß.
Normenkette
AO §§ 139a, 139b, 139d; EGAO Art. 97 § 5; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 108 Abs. 5; AO § 118
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Vergabe der Steueridentifikationsnummer verfassungsgemäß ist.
Dem Kläger wurde vom Beklagten unter der Bezeichnung „Persönliche Identifikationsnummer” die steuerliche Identifikationsnummer … zugeteilt. Diese Nummer wurde ihm mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 mitgeteilt. In dem Schreiben heißt es u.a. wörtlich: „… Sie ≪Anm.: die Steueridentifikationsnummer≫ wird für steuerliche Zwecke verwendet und ist lebenslang gültig. Sie werden daher gebeten, dieses Schreiben aufzubewahren, auch wenn Sie derzeit steuerlich nicht geführt werden. Bitte geben Sie Ihre Identifikationsnummer bei Anträgen, Erklärungen und Mitteilungen zur Einkommen-/Lohnsteuer gegenüber Finanzbehörden immer an. … Beim Bundeszentralamt sind unter Ihrer Identifikationsnummer – nach den Angaben der für Sie im Regelfall zuständigen Meldebehörde – folgende Daten gespeichert: Familienname: A; Vornamen: B; Geschlecht: …; vollständige Adresse: C Straße …, D; Geburtstag und -ort: 00.00.0000 D”.
Insgesamt sieht die Mitteilung – je nach Gegebenheiten – folgende Eintragungen vor: 1) Titel, Familienname; 2) Ehename; 3) Lebenspartnerschaft; 4) Geburtsname; 5) Vornamen; 6) Geschlecht; 7) vollständige Adresse; 8) Geburtstag und -ort; 9) Geburtsstaat (bei Geburt im Ausland).
Eine Rechtsmittelbelehrung ist dem Schreiben nicht beigefügt.
Am 7. November 2008 erhob der Kläger Klage.
Der Kläger trägt vor, dass die Vergabe von Steueridentifikationsnummern aufgrund von § 139b AO rechtswidrig sei und ihn, den Kläger, in seinem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletze.
Informationelle Selbstbestimmung sei das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen.
§ 139b AO greife in diese grundrechtlich geschützte Rechtsposition ein, da er die Erhebung, Speicherung, Weitergabe und Verwendung von persönlichen Daten ermögliche. Gespeichert würden vom Bundeszentralamt für Steuern die in § 139b Abs. 3 AO vorgesehenen Daten. Ferner würden die Finanzbehörden und andere (nicht-) öffentliche Stellen zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer ermächtigt.
Dieser Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung sei aus mehreren Gründen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
Soweit es um die Ermächtigung zur Erhebung, Verwendung und Weitergabe der Identifikationsnummer durch andere öffentliche oder nicht öffentliche Stellen nach § 139b Abs. 2 AO gehe, mangele es an der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage.
Das Bestimmtheitsgebot verlange, dass der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden müssten.
Insbesondere eine wirksame Zweckbindung für die Verwendung der Steueridentifikationsnummer fehle in der Ermächtigungsgrundlage. Wenn auch die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Finanzbehörden, welche in der Erhebung und der Verwaltung von Steuern liege, noch vom Normzweck erfasst seien, mangele es in der Einschränkung durch die Verwendung des Begriffs „Rechtsvorschrift” an der hinreichenden Bestimmtheit eines einschränkenden Regelungsvorbehaltes. Denn mit Rechtsvorschrift könne sowohl ein förmliches Gesetz als auch eine Verordnung gemeint sein.
Dass sich die Weitergabe und Verwendung der Steueridentifikationsnummer ausdrücklich auch auf nicht öffentliche Stellen beziehe, bedeute in letzter Konsequenz, dass durch einfache Verordnung, ohne Parlamentsvorbehalt, die Exekutive entscheiden könne, dass die Identifikationsnummer für jeden beliebigen Privatzweck außerhalb der behördlichen Verwaltungsgänge frei übermittelt werden dürften.
Angesichts in jüngster Zeit häufiger Medienberichte über Datenpannen, welche auch dadurch zustande gekommen seien, dass sich die öffentliche Verwaltung in zunehmendem Maße der Hilfe privater Dienstleister bediene oder hoheitliche Aufgaben delegiere, erfordere eine hinreichende Bestimmtheit vor dem Hintergrund der rechtsstaatlichen Gebote der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit eine klare Definition, wer befugt sei, unter welchen Umständen wessen Daten an wen weiterzugeben.
Die Verwendung der unbestimmten Begriff der „andere(n) öffentliche(n) oder nicht öffentliche(n) Stellen” aus § 139b Abs. 2 Satz 2 AO sei verfassungswidrig. Er werde nicht näher definiert und sei auch einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich.
In Anbetracht der Vielzahl von Steuergesetzen und den darüber hinaus bestehenden Möglichkeiten zum Datenaustausch zwischen Finanz- und Sozia...