rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeldanspruch einer türkischen Staatsangehörigen mit Aufenthaltsbefugnis. zur Änderung einer Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 und 3 EStG, Konkurrenz zu den Änderungsvorschriften der AO. Kindergeld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine nur noch über eine Aufenthaltsbefugnis verfügende türkische Staatsangehörige hat in Deutschland weder nach EStG noch nach EG-Recht noch aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen einen Kindergeldanspruch

2. Hat die Familienkasse trotz des Wegfalls des Kindergeldanspruchs ohne einen Antrag der Steuerpflichtigen und ohne weitere Ermittlungen durch einen Änderungsbescheid weiter Kindergeld festgesetzt, so war dieser Bescheid von Anfang an objektiv rechtswidrig; er kann später nicht mehr mehr nach § 70 Abs. 2 EStG – rückwirkend –, sondern nur noch nach § 70 Abs. 3 EStG – mit Wirkung für die Zukunft – geändert werden.

3. Sind die Voraussetzungen für eine Änderung eines Kindergeldbescheids nach § 70 Abs. 3 EStG erfüllt, schließt das die Änderung des Bescheids aufgrund neuer Tatsachen aus.

 

Normenkette

EStG § 70 Abs. 2-3, § 62 Abs. 2 S. 1; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21.1.1997 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 9.9.1998 werden aufgehoben, soweit sie die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar bis August 1996 und die Erstattung des für diesen Zeitraum gezahlten Kindergelds betreffen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung der Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung aufheben durfte.

Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige und lebt seit April 1994 in Deutschland. Bis zum 9.2.1995 verfügte sie über eine Aufenthaltserlaubnis, danach nur noch über eine Aufenthaltsbefugnis. Am 17.7.1997 wurde ihr wiederum eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Ihr Ehemann, der Vater der nachbenannten Kinder, ist anerkannter politischer Flüchtling und lebt zusammen mit seiner Familie; er verfügt über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Für ihre am 5.10.1989 geborene Tochter A, in Deutschland wohnhaft seit dem 28.3.1994, erhielt die Klägerin aufgrund des Bescheids des Beklagten vom 9.8.1994 Kindergeld. Am 25.2.1996 wurde die Tochter B in yx geboren. Am 15.3.1996 verfügte der Beklagte eine Änderung der Kindergeldfestsetzung und setzte Kindergeld für die beiden Kinder fest. Eine vorherige Antragstellung durch die Klägerin und welche Unterlagen dabei vorgelegt worden wären, ergibt sich nicht aus den Akten.

Seit September 1996 erhält der Ehemann der Klägerin mit deren Einverständnis Kindergeld für die Kinder.

Nachdem der Beklagte der Klägerin am 20.9.1996 einen Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld übersandt hatte, reichte diese am 18.11.1996 eine Kopie ihrer Aufenthaltsbefugnis ein.

Der Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 30.12.1996 die Kindergeldbewilligung ab 12/96 auf und gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich des seiner Auffassung nach für den Zeitraum ab 3/95 zuviel gezahlten Kindergelds. Am 21.1.1997 erließ er zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, einen für den Zeitraum März bis Dezember 1995 und einen für den Zeitraum Januar bis Dezember 1996. Als Rechtsgrundlage gab er § 70 Abs. 2 EStG an und bezog sich auf den Aufhebungsbescheid vom 30.12.1996.

Die Klägerin legte gegen die Bescheide rechtzeitig Rechtsbehelf ein und wurde im weiteren Verfahren aufgrund einer schriftlichen, dem Beklagten vorgelegten Vollmacht von den jetzigen Prozeßbevollmächtigten vertreten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 9.9.1998, bekanntgegeben mit Einschreiben an die Bevollmächtigten am 10.9.1998 (einem Samstage), wies der Beklagte den Einspruch hinsichtlich der Rückförderung des für Januar bis November 1996 gezahlten Kindergelds als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus:

Nach § 70 Abs. 2 EStG sei die Festsetzung aufzusehen, da die Klägerin seit Februar 1995 nur noch über eine Aufenthaltsbefugnis verfügt habe. Aus Vertrauensschutzgesichtspunkten werde von einer Rückforderung bis Dezember 1995 abgesehen. Die ab 1996 geltende Vorschrift des § 70 Abs. EStG lasse im Gegensatz zu § 18 SGB X keinen Raum für Vertrauensschutzgesichtspunkte, es handele sich um eine gebundene Entscheidung. Auf den Status ihres Ehemannes komme es nicht an.

Am 13.10.1998 erließ der Beklagte einen „Änderungsbescheid an meinem Bescheid vom 21.1.1997”. Die Änderung bestand darin, daß die Aufhebung nur noch für die Monate 1-11/96 erfolgte. Die Rechtsbehelfsbelehrung in der an die Klägerin gerichteten Verfügung ist durchgestrichen.

Mit der am 12.10.1998 bei Gericht eingegangenen Klage...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge